Der BGH bejaht die Frage! Zum einen sei es unerheblich, ob es sich bei dem Vertrag zwischen T und der E-GmbH um einen Bauträgervertrag handle. Zum anderen sei es unerheblich, ob der Vertrag vor oder nach der Eintragung des ersten Erwerbers in das Grundbuch geschlossen worden sei. Das Entstehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft führe nicht dazu, dass die Regelungslücke entfalle, die Voraussetzung für eine vorgelagerte entsprechende Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes sei. Diese bestehe nämlich darin, dass das Wohnungseigentumsgesetz dem "Demokratisierungsinteresse" der Erwerber mit gesicherter Rechtsposition nicht Rechnung trage.

Hinweis

Der BGH klärt für die Praxis, dass ein Erwerber auch dann "werdender Wohnungseigentümer" sein kann, wenn ihn mit dem Aufteiler kein Vertrag i. S. v. § 650u BGB verbindet. Ferner ist jetzt klar, dass es zeitlich unerheblich ist, wann der entsprechende Vertrag geschlossen wird. Alle vom Aufteiler Erwerbenden sind damit werdende Wohnungseigentümer. Werdender Wohnungseigentümer ist danach:

  • Wer einen wirksamen Erwerbsvertrag mit dem Aufteiler hat. Wann dieser Vertrag geschlossen wird, ist unerheblich.
  • Zu dessen Gunsten eine Vormerkung für das zu erwerbende Wohnungs- und/oder Teileigentum eingetragen ist. Wann die Vormerkung eingetragen wird, ist unerheblich.
  • Wer den Besitz am Sondereigentum aus der Hand des Aufteilers erhält. Wann die Besitzübergabe stattfindet, ist unerheblich.

Wiederholung und Vertiefung: Teilnahmerechte eines Wohnungseigentümers

Der Verwalter sah im Fall die E-GmbH nicht als werdende Wohnungseigentümerin an und verweigerte ihr die Teilnahme an der Versammlung der Wohnungseigentümer. Dies führte dazu, dass die Beschlüsse, die ohne die E-GmbH gefasst worden waren, für ungültig erklärt wurden, obwohl sich die Nichtteilnahme der E-GmbH nicht maßgeblich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hatte. Denn der BGH entwickelte im Jahr 2010 die Idee, dass eine Anfechtungsklage ohne weitere Prüfung Erfolg hat, wenn zuvor das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Wohnungseigentümers in gravierender Weise ausgehebelt worden war. Es ging um eine Vereinbarung, nach der das Stimmrecht bei Verzug mit Hausgeld ruhen sollte. Im Jahr 2016 vertiefte er diese Überlegung. Dort sah er es als gravierend an, dass ein Verwalter einen Wohnungseigentümer nicht aufgeklärt hatte, dass er stimmberechtigt ist. Aktuell reicht dem BGH ein wohl verzeihbarer, jedenfalls von AG und LG geteilter Irrtum des Verwalters, wer als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist.

Ausblick WEG-Reform

Das WEMoG fügt mit § 8 WEG einen weiteren Absatz ein. Dieser lautet: "Wer einen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat, der durch Vormerkung im Grundbuch gesichert ist, gilt gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümern anstelle des teilenden Eigentümers als Wohnungseigentümer, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde." Dies entspricht dem heutigen Denken und der vorstehenden Entscheidung. Neu ist allerdings, dass die Fiktion nicht Dritten gegenüber gilt. Der werdende Wohnungseigentümer haftet danach nicht gem. § 9a Abs. 4 WEG für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Und neu ist weiter, dass eine Vormerkung an dem noch ungeteilten Grundstück nicht mehr genügt (BR-Drs. 168/20 S. 45).

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