Alexander C. Blankenstein
4.2.1 Grundsätze
Im Idealfall ist die Planung des Bauvorhabens vor Abschluss des Bauvertrags vollständig abgeschlossen und zwischen Besteller und Unternehmer sind sowohl das Bau- als auch das Leistungssoll abschließend und hinreichend deutlich geklärt. Allerdings kommt es in der Praxis im Rahmen der Durchführung eines Bauvertrags aufgrund Komplexität und Dauer der Maßnahmen aber insbesondere auch durch nachträgliche Änderungswünsche zu einem Bedarf, den Bauvertrag zu ändern. § 650b BGB regelt die Änderung des Leistungsumfangs eines bestehenden Bauvertrags. Danach kann der Besteller auch nach Vertragsschluss unter bestimmten Bedingungen
- eine Änderung des nach § 631 Abs. 2 BGB vereinbarten Werkerfolgs oder
- eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,
anordnen.
Eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs i. S. v. § 650b Abs.1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt immer dann vor, wenn sich die Vorstellungen des Bestellers geändert haben oder er bei der Planung Umstände, etwa unterzubringende Möbel oder sonstige Gegenstände, nicht berücksichtigt hat.
Bleibt das Endziel hingegen unverändert, werden aber zusätzliche Leistungen benötigt, um den Werkerfolg herzustellen, so liegt eine Änderung nach § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB vor.
Lücke in der Leistungsbeschreibung
Ist die dem Unternehmer seitens des Bestellers übergebene Leistungsbeschreibung lückenhaft, sind bestimmte Positionen zur Zielerreichung also vergessen worden oder aber erfordern neu erlassene öffentlich-rechtliche Vorgaben Modifizierungen der Bauleistung, so liegt ein Fall des § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB vor.
Mehr- oder Mindervergütung
In beiden Fällen haben die Vertragsparteien nach § 650b Abs. 1 Satz 2 BGB eine Einigung über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung anzustreben. Insoweit ist der Unternehmer verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung vorzulegen. Dies gilt bezüglich einer erstrebten Änderung des Werkerfolgs nach § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB freilich nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat.
4.2.2 Änderungsanordnung
Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung, kann der Besteller nach § 650b Abs. 2 BGB die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. Kommt es zu einer Änderungsvereinbarung, gilt der Vertrag nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen mit dem Inhalt dieser Änderungsvereinbarung fort. Kommt es hierzu nicht, kann der Vertrag durch Anordnung des Bestellers geändert werden. Dem Besteller ist mit der Änderungsanordnung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt. Bei der Änderungsanordnung handelt es sich um eine Willenserklärung des Bestellers gegenüber dem Unternehmer und muss diesem zugehen.
Step-by-Step: Der Weg zur Änderungsanordnung
- Der Besteller wendet sich mit einem Änderungsbegehren an den Unternehmer.
- Sofern der Besteller die Planung schuldet, muss er diese auch für die gewünschte Änderung vorlegen.
- Der Unternehmer erstellt ein Angebot, wobei er in dessen Berechnungsmethode in den Grenzen des § 650c BGB frei ist.
- Die Parteien verhandeln hierüber.
- Erst wenn 30 Tage nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung erzielt werden konnte, darf der Besteller die Leistungsänderung einseitig anordnen.
4.2.3 Vergütungsanpassung
Wenn die Vertragsparteien keine Einigung erzielen konnten und der Besteller daraufhin die Änderungsanordnung getroffen hat, regelt § 650c BGB den Vergütungsanspruch des Unternehmers und verleiht dem Unternehmer dabei ein Wahlrecht – und insoweit spiegelbildlich ein Anordnungsrecht:
- Er kann sich für jeden einzelnen Nachtrag entscheiden, ob er nach § 650c Abs. 1 BGB seinen Vergütungsanspruch auf Grundlage der tatsächlich angefallenen Mehr- und Minderkosten berechnet, oder
- er kann seine Nachtragsforderung gem. § 650c Abs. 2 BGB auf Grundlage einer hinterlegten Urkalkulation berechnen.
Da eine Einigung nicht zustande gekommen ist, kann der Unternehmer gem. § 650c Abs. 3 BGB bei Abschlagszahlungen pauschal 80 % der in seinem Angebot angegebenen (Mehr-)Vergütung ansetzen, bis eine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht.
Risiko für Besteller
§ 650c Abs. 3 Satz 1 BGB kann ein Risiko für den Besteller darstellen. Er greift nämlich auch dann, wenn das Angebot des Unternehmers zu hoch ist. Ordnet der Besteller eine Vertragsänderung an, könnte der Unternehmer bestrebt sein, die 80 %-Grenze faktisch dadurch zu umgehen, dass er einen Angebotspreis in Höhe von 125 % des objektiv berechtigten Preises benennt, um Abschlagszahlungen in voller ...