Alexander C. Blankenstein
4.4.2.1 Grundsätze
Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, hat er auf Verlangen des Unternehmers an einer gemeinsamen Feststellung des Zustands des Werks mitzuwirken. Die Zustandsfeststellung soll möglichen Streit zwischen Besteller und Unternehmer über den Zustand des Werks vermeiden, wenn der Besteller das Werk bereits in Gebrauch genommen hat. Gerade bei einer späteren Abnahme entstehen jedenfalls Unsicherheiten darüber, ob dann festgestellte Mängel aus dem Verantwortungsbereich des Bestellers oder dem des Unternehmers stammen. Insoweit ist die Zustandsfeststellung auch für den Fall von Bedeutung, dass sich Unternehmer und Besteller einig darüber sind, dass das Bauwerk noch nicht abnahmereif ist.
Zustandsfeststellung bedeutet nicht Abnahme
Die Zustandsfeststellung ersetzt nicht die Abnahme und hat auch keine sonstigen Ausschlusswirkungen. Sie dient lediglich der Dokumentation des Zustands des Werks. Hiermit soll späterem Streit vorgebeugt werden. Allerdings wird die Gefahrtragung insoweit modifiziert, als die Ursache später auftretender Mängel als aus dem Verantwortungsbereich des Bestellers stammend vermutet wird.
Die Zustandsfeststellung ist zu datieren und von den beiden Parteien des Bauvertrags zu unterzeichnen.
Der Termin zur Zustandsfeststellung kann zwischen den Bauvertragsparteien vereinbart, kann aber auch einseitig vom Unternehmer festgesetzt werden. Hierbei muss er eine angemessene Frist wahren zwischen dem von ihm festgesetzten Termin zur Zustandsfeststellung und dem Zugang seines Verlangens beim Besteller. Welche Frist angemessen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. In Anlehnung an die Praxis zur fiktiven Abnahme dürfte wohl auch hier ein Zeitraum von 12 Tagen angemessen sein (siehe Kap. B.II.3.2.3.6).
4.4.2.2 Keine Einigung über den Zustand
In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich Besteller und Unternehmer im Rahmen der gemeinsamen Zustandsfeststellung nicht über den Zustand des Werks einigen können. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Zustandsfeststellung überhaupt nur dann im Raum steht, wenn der Besteller die Abnahme verweigert hat oder einem vom Unternehmer festgesetzten Termin zur Abnahme unentschuldigt ferngeblieben ist.
Verweigert der Besteller seine Unterschrift unter die Zustandsfeststellung, weil er den protokollierten Zustand nicht anzuerkennen gedenkt, kann der Unternehmer keine einseitige Zustandsfeststellung dokumentieren. In diesem Fall ist er vielmehr gezwungen, den Zustand seiner Werkleistung durch ein selbstständiges Beweisverfahren nach den Vorschriften der §§ 485 ff. ZPO durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen feststellen zu lassen.
4.4.2.3 Besteller nimmt nicht teil
Für den Fall, dass der Besteller an der Zustandsfeststellung nicht teilnimmt, kann der Unternehmer die Zustandsfeststellung einseitig vornehmen. Allerdings gilt dies nicht, wenn der Besteller dem Termin unverschuldet fernbleibt. Der Besteller muss aber den Unternehmer hierüber unverzüglich unterrichten. Ist der Besteller dem Termin verschuldet ferngeblieben, nimmt der Unternehmer die Zustandsfeststellung also alleine vor. Für den Besteller besteht insoweit die Gefahr, dass der Unternehmer letztlich bestehende Mängel nicht dokumentiert, um den Besteller zu benachteiligen.
4.4.2.4 Rechtsfolgen
Egal, ob die Zustandsfeststellung gemeinsam oder einseitig durch den Unternehmer erfolgt ist, ihre Rechtswirkungen sind in beiden Fällen gleich: Entsprechend ihrem Zweck soll die Zustandsfeststellung den Unternehmer davor schützen, für Mängel einstehen zu müssen, die nicht aus seiner Sphäre stammen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf offenkundige Mängel, die unschwer lokalisiert werden können.
Sind offenkundige Mängel in der Zustandsfeststellung nicht aufgeführt, wird zulasten des Bestellers vermutet, dass diese aus seiner Sphäre stammen. Dieser Vermutung kann der Besteller erfolgreich stets dann begegnen, wenn der Mangel seiner Art nach nicht vom Besteller verursacht worden sein kann.
Mangel nicht vom Besteller verursacht
Vom Besteller können niemals Mängel verursacht sein, die ihre Ursache in der Bauausführung selbst haben. Dies ist insbesondere etwa bei Materialmängeln der Fall oder wenn in der Bauausführung von den Plänen abgewichen wurde.
Offenkundiger Mangel
Die Vermutungswirkung bezieht sich nur auf offenkundige Mängel. Offenkundig ist ein Mangel dann, wenn er bei der Zustandsfeststellung "ohne Weiteres hätte entdeckt werden müssen". Maßgeblich kommt es hier auch auf die Fachkunde des Bestellers an.
Maßgeblich ist die Möglichkeit der Entdeckung
Mit Blick auf das Merkmal der Offenkundigkeit ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht auf die Erkennbarkeit des Mangels abstellt, sondern auf die Möglichkeit seiner Entdeckung. Hieraus folgt, dass nicht lediglich eine oberflächliche Besichtigung von Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum zu erfolgen hat, sondern eine eingehende Begutachtung und Prüfung des Werks. Letztlich ist dies auch Sinn und Zweck der Zustandsfeststellung: Der Zustand soll möglichst detailliert protokolliert werden, sodass spätere Beweisschwierigkeiten vermie...