1 Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer kann einer Beschlussklage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch dann als Streithelfer beitreten, wenn die Gemeinschaft verwalterlos ist und er diese im Verfahren allein vertritt.

2 Normenkette

§ 66 ZPO; § 44 Abs. 4 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K1 und K2 gehen im Wege der Anfechtungsklage gegen 2 Beschlüsse vor. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B wird von S, der einzigen weiteren Wohnungseigentümerin, vertreten. Fraglich ist, ob S der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Streithelfer beitreten kann. Das AG verhandelt im Rahmen eines Zwischenstreits über die Zulässigkeit der Streithilfe und weist diese durch Urteil zurück. S sei gesetzliche Vertreterin einer Partei und könne – da sie nicht Dritte im Sinne des § 66 ZPO sei – nicht als Streithelferin auftreten. Etwas Anderes folge nicht aus § 44 Abs. 4 WEG. Insoweit habe zwar jeder Wohnungseigentümer die Möglichkeit, als streitgenössischer Streithelfer nach § 69 ZPO umfassende Einwirkungsrechte geltend zu machen, da er gemäß § 44 Abs. 2 WEG an die Entscheidung gebunden sei. Derartige Einwirkungsrechte seien aber nicht nötig, wenn der Wohnungseigentümer die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer allein vertrete, da er insoweit als gesetzlicher Vertreter umfassende Einwirkungsmöglichkeiten habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Frage sei zwar umstritten. Die besseren Argumente sprächen aber für die Möglichkeit der Streithilfe. Schon formal sei der Vertreter eine andere Person – und auch ein anderes Haftungssubjekt – als der Vertretene, sodass durchaus Interessenkonflikte bestehen, die einen Beitritt begründen könnten. Hinzu kommt, dass im Fall der Ablehnung der Beitrittsmöglichkeit auch eine Streitverkündung (§ 72 ZPO) nicht möglich wäre. Diese sei im Fall der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Verwalter aber schon deshalb nötig und vom Gesetzgeber auch vorgesehen, um eine Rechtskrafterstreckung auf diesen zu erreichen, da die Rechtskrafterstreckung des § 44 Abs. 3 WEG den Verwalter nicht erfasse. Aber auch im Verhältnis zu Wohnungseigentümern sei denkbar, dass eine Streitverkündung erfolgen müsse, um Regressprozesse – beispielsweise im Fall der Verweigerung, Beschlüssen zuzustimmen – vorzubereiten. Denn die Wirkungen der Streitverkündung reichten über die Rechtskrafterstreckung des § 44 Abs. 3 WEG hinaus und erfassten beispielsweise auch die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung. Gerade in tatsächlich und/oder rechtlich komplex gelagerten Fällen werde es daher prozessökonomisch sein, einzelnen Wohnungseigentümern den Streit zu verkünden, um Regressprozesse zu vereinfachen. Diese Möglichkeit könne nicht davon abhängen, ob der Wohnungseigentümer gem. § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertrete. Zwar werde es dann, wenn ein Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertrete, praktisch kaum denkbar sein, dass der Wohnungseigentümer als Streithelfer andere Verteidigungsmittel ergreife, als er dies als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für diese tun werde. Nach Auffassung der Kammer sei eine Differenzierung der Beitrittsmöglichkeiten nach der Zahl der Vertreter aber nicht statthaft und finde auch in §§ 66 ff. ZPO keine Stütze. In Fällen, in denen mehrere Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten würden, sei jedenfalls offensichtlich, dass die vertretenen Wohnungseigentümer durchaus unterschiedliche Interessen haben könnten. Hinzu komme, dass der in § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG bestimmten Gesamtvertretung bei mehreren Vertretern das Risiko der Selbstblockade immanent sei.

5 Hinweis

Problemüberblick

Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei nach § 66 Abs. 1 ZPO zum Zweck ihrer Unterstützung beitreten. Fraglich ist, ob S, der Organ der B ist, ein Dritter ist. Die Antwort sollte entgegen dem LG "nein" lauten. Wer – wie S im Fall – alleiniges Organ einer Partei ist (vertreten mehrere Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, mag etwas anderes gelten), ist der Sache nach kein "Dritter". Denn das Einzelorgan stellt im Rechtsverkehr die Partei dar. Dies zeigt sich materiell-rechtlich beispielsweise beim Besitz ("Organtheorie") oder verfahrensrechtlich beim Beweis.

Streitverkündung

Das LG bejaht mittelbar, dass man dem Verwalter den Streit verkünden kann. Diese Ansicht dürfte richtig sein. Auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst dürfte die Möglichkeit haben, nach § 9b Abs. 2 WEG dem Verwalter den Streit zu verkünden. Dann fragt sich, welche Folgen die Verkündung für dessen Organmacht hätte. Hier liegt nicht fern, dass der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsprechend § 181 BGB nicht mehr vertreten kann. Denn der Verwalter könnte beispielsweise ein Interesse haben, formale Mängel – und damit eine eigene Haftung – zu verdecken und den Blick auf ma...

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