3.5.1 Überblick

Der Verwalter fungiert gem. § 9b Abs. 1 WEG als gesetzlicher Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich. Insoweit ist er berechtigt, u. a. einen gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten Rechtsstreit – und hier insbesondere ein Anfechtungsverfahren – zu führen. Ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) liegt hierin nicht (siehe Beitrag Rechtsdienstleistungsgesetz (ZertVerwV)). Der Verwalter kann ohne Verstoß gegen seine Neutralitätspflichten Schriftsätze fertigen, vor Gericht auftreten, Anträge formulieren oder einen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil einlegen.[1] Ein Verstoß gegen seine Verpflichtung zur strengen Neutralität gegenüber sämtlichen Wohnungseigentümern scheidet bereits vor dem Hintergrund aus, als der Verwalter verpflichtet ist, Beschlüsse auch gegen den Willen der überstimmten Wohnungseigentümer durchzuführen. Der Verwalter ist des Weiteren auch ohne entsprechenden Beschluss berechtigt, im Namen der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen.[2] Dies ist ihm auch dringend anzuraten, da nicht nur das WEG, sondern auch das Verfahrensrecht der ZPO äußerst komplex ist und der Verwalter sich überflüssigen Regressrisiken aussetzt, wenn er nicht über ausreichende Rechtskenntnisse verfügt.

3.5.2 Verfahrensgrundsätze

3.5.2.1 Parteien der Anfechtungsklage

Eine Anfechtungsklage kann seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 nur noch von Wohnungseigentümern erhoben werden, was § 44 Abs. 1 WEG zum Ausdruck bringt. Der Verwalter hat kein Recht zur Erhebung einer Beschlussklage (Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklage). Beklagte sind auch nicht mehr die übrigen Wohnungseigentümer, Beklagte ist nunmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, da ihr gemäß § 18 Abs. 1 WEG die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums obliegt. Zu verklagen ist stets die Gesamtgemeinschaft, da in der Gemeinschaftsordnung gebildeten Untergemeinschaften keine eigenständige Rechtsfähigkeit zukommt.

3.5.2.2 Klagefrist

Die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage beträgt gemäß § 45 Satz 1 WEG einen Monat. Sie beginnt mit der Beschlussverkündung zu laufen und kann weder durch Vereinbarung verlängert noch verkürzt werden. Ebenso kann das Beschlussanfechtungsrecht durch Vereinbarung weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Denn die Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren unterliegen nicht der Disposition der Wohnungseigentümer.

 

Vereinbartes "Vorschaltverfahren"

Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung, wonach bei Streitigkeiten unter den Wohnungseigentümern vor Klageerhebung ein Schlichtungsversuch mithilfe des Verwalters und/oder des Verwaltungsbeirats durchzuführen ist, gilt dies nicht für Anfechtungsklagen.[1] Der Grund ist plausibel: Zum einen würde die Anfechtungsfrist unzumutbar verkürzt werden, zum anderen können weder Verwalter noch Verwaltungsbeirat den streitgegenständlichen Beschluss aufheben.

Ausschlussfrist

Die Klagefrist ist als sog. materielle Ausschlussfrist auch nicht durch das Gericht verlängerbar. Entsprechendes gilt für die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage. Die Fristversäumnis führt daher nicht zur Unzulässigkeit der verfristet erhobenen Anfechtungsklage bzw. der nicht rechtzeitig erfolgten Begründung, sondern zu deren Unbegründetheit.

Gewahrt ist die Monatsfrist streng genommen nur dann, wenn innerhalb dieser Frist Rechtshängigkeit eintritt. Die Rechtshängigkeit setzt aber voraus, dass die Klage dem Gegner, also der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, zugestellt ist. Die Klageerhebung allein führt nur zur sog. "Anhängigkeit". Für diesen Fall fingiert § 167 ZPO die Rechtshängigkeit der Klage bereits mit Klageerhebung, soweit die Klage dem Gegner "alsbald" zugestellt wird. Eine "alsbaldige" Zustellung ist dann erfolgt, wenn der Kläger alles ihm Zumutbare für die Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen.[2]

[1] LG München I, Urteil v. 14.6.2012, 36 S 19228/11 WEG.

3.5.2.3 Begründungsfrist

Die Klage muss nach § 45 Abs. 1 Satz 1 WEG innerhalb von 2 Monaten nach Beschlussfassung begründet werden. Der Kläger muss innerhalb dieser Frist zumindest im Kern vortragen, weshalb seiner Meinung nach der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.

3.5.2.4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Nicht selten sind in der Praxis die Fälle, in denen der Kläger nicht innerhalb der Monatsfrist des § 45 Satz 1 WEG Anfechtungsklage erheben kann. Beruht das Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden des Klägers, kann ihm gemäß § 45 Satz 2 WEG i. V. m. §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aber dann nicht gewährt werden, wenn der anfechtende Wohnungseigentümer die Anfechtungsfrist deshalb versäumt, weil ihm die Versammlungsniederschrift noch nicht zugegangen ist und er nicht innerhalb der Klagefrist Einsicht in die Beschluss-Sammlung...

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