1 Leitsatz

Eine Pflichtverletzung im Sinne von § 17 WEG setzt kein schuldhaftes und subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus. Auch ein aufgrund der individuellen Disposition für den Wohnungseigentümer nicht oder nur schwer vermeidbares Verhalten wie das Messie-Syndrom kann zur Folge haben, dass den Wohnungseigentümern eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann.

2 Normenkette

§ 17 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K, der unter Betreuung steht, leidet unter einem Messie-Syndrom mit Verwahrlosung bei psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (ICD10: F10.2) sowie unter einer dementiellen Störung, hirnorganisch alkoholtoxisch (ICD10: F10.5). Wegen des Zustandes der Wohnung (K lagert dort Müll und Unrat; außerdem kann ein Wasserschaden nicht behoben werden) beantragt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, K zur Veräußerung seines Wohnungseigentums zu verurteilen. Das AG sagt im Termin zur mündlichen Verhandlung, die Klage habe Aussicht auf Erfolg. Der Betreuer will daher die Genehmigung des Betreuungsgerichts zur Erklärung eines Anerkenntnisses einholen. Im weiteren Verlauf beantragen die Parteien übereinstimmend, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, um dem Betreuer die Möglichkeit zu einem freihändigen Verkauf zu geben. K lebt mittlerweile in einem Heim. Das AG erteilt die Genehmigung nicht. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Betreuers.

4 Die Entscheidung

Die Beschwerde hat Erfolg! Das LG ist der Auffassung, die betreuungsgerichtliche Genehmigung sei zu erteilen, weil – jedenfalls in der Zwischenzeit – die Situation des K sich so entwickelt habe, dass der Verkauf zur Abwehr von Gefahren für seine Person erforderlich sei. Auszugehen sei zwar von dem Wunsch des K, sein Wohnungseigentum zu behalten und es nicht zu veräußern. Dem Wunsch sei aber nicht zu entsprechen. Denn dies würde die Person des K absehbar erheblich gefährden, was K aufgrund seiner Krankheit nicht erkennen könne. K drohe absehbar die Kündigung des Heimvertrags über seine gegenwärtige Unterbringung, wenn das Wohnungseigentum nicht zeitnah verkauft werde. Hiermit wäre eine erhebliche Gefährdung seiner Person verbunden. K sei jedenfalls auf absehbare Zeit auf eine Wohnform mit intensiver stationärer Betreuung angewiesen und könne in der eigenen Wohnung auch bei Ausschöpfung ambulanter Pflege-/Unterstützungsangebote nicht mehr leben. Bei Heimkosten von derzeit zwischen 3.600 EUR und 4.000 EUR monatlich – die sich auch im Fall eines Wechsels der Einrichtung einschließlich eines Wechsels in eine offen geführte Betreuungsform kaum erheblich reduzieren dürften – und monatlichen Einkünften von knapp über 600 EUR liege es auf der Hand, dass K auf den Einsatz seines Vermögens angewiesen sei, um seinen weiteren Verbleib in einer für ihn geeigneten Einrichtung zu finanzieren. Eine Finanzierung im Wege der Sozialhilfe sei – wie der Betreuer zu Recht anmerke – gegenüber dem Einsatz des eigenen Vermögens nachrangig und sei daher zur Abwendung der K im Fall eines Verlusts seines Heimplatzes drohenden Gefahren nicht geeignet, solange K Eigentümer eines (von ihm nicht nutzbaren) Wohnungseigentums sei. Das danach bestehende Bedürfnis, das Wohnungseigentum zur Sicherung der krankheitsbedingt erheblichen Lebenshaltungskosten des K zu veräußern, entfalle auch nicht deshalb, weil bei einer Versagung damit zu rechnen sei, dass es demnächst zu einer Verurteilung des K im WEG-Verfahren und daraufhin zu einer Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums kommen dürfte.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um Betreuungsrecht. Er nimmt seinen Ausgang aber in einer WEG-Streitigkeit. Fraglich ist dort, ob man einem Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentum entziehen kann, wenn er an einem Messie-Syndrom leidet.

Entziehung des Wohnungseigentums

Hat ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber anderen Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, so kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 17 Abs. 1 WEG von ihm die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen. Einer Schuld bedarf es nicht. Es ist daher, wie im Fall vorstellbar, dass ein Wohnungseigentümer durch die Folgen seines Messie-Syndroms eine solche Verletzung begeht (siehe nur LG Hamburg, Urteil vom 6.4.2016, 318 S 50/15, ZWE 2017 S. 34).

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Gibt es in einer Wohnungseigentumsanlage einen "Messie", wäre dieser zunächst mehrfach abzumahnen. Dann könnte man über eine Entziehung nach § 17 Abs. 1 WEG beschließen.

6 Entscheidung

LG Freiburg, Beschluss v. 22.12.2023, 4 T 23/23

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