1 Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das komplette Grundbuchblatt des Wohnungsgrundbuchs eines anderen Wohnungseigentümers, wenn die Wohnungseigentümer in einem notariellen Vertrag die Auflösung der Wohnungseigentümergemeinschaft vereinbart haben.

2 Normenkette

§ 12 GBO

3 SachverhaltDas Problem

Im Dezember 2010 unterzeichnen die Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage mit 5 Wohnungseigentumsrechten einen notariellen Vertrag zur Aufhebung ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu dieser ist es bis in das Jahr 2019 nicht gekommen. Wohnungseigentümer K erfährt, im Wohnungsgrundbuch von Wohnungseigentümer Z stehe eine Bauhandwerkersicherungshypothek, die die Vollziehung des Vertrags unmöglich mache. K möchte das Wohnungsgrundbuch von Z einsehen, um zu erfahren, wer der Gläubiger ist und um die Hindernisse zum Vollzug des Aufhebungsvertrags auszuräumen. Das Grundbuchamt meint, Z müsse der Einsichtnahme zustimmen. Gegen diese Entscheidung beschwert sich K.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Ob ein Wohnungseigentümer ein Einsichtsrecht in die Grundbücher der anderen Wohnungseigentümer, insbesondere in die Abteilung III, habe, sei streitig (bejahend OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.10.1986, 3 Wx 340/86, und "einschränkend" OLG München, Beschluss v. 11.12.2015, 34 Wx 208/15). Hier sei die Rechtslage aber wegen des Aufhebungsvertrags klar. Aufgrund der Belastung sei die Vollziehung des Vertrags nicht möglich. K hat daher sowohl ein rechtliches als auch ein wirtschaftliches Interesse zu erfahren, aufgrund welcher Belastung (insbesondere auch ihrer Höhe) die Auseinandersetzung der Gemeinschaft behindert werde.

Hinweis

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO ist gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg, Beschluss v. 30.9.2013, 12 W 261/13 (GB); OLG München, Beschluss v. 14.6.2018, 34 Wx 188/18). Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse. Die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier muss ausgeschlossen sein (OLG München, Beschluss v. 27.2.2019, 34 Wx 28/19). Die Kenntnis vom Grundbuchstand muss daher bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge für das künftige Handeln des Antragstellers und seine Entschließungen aus sachlichen Gründen erheblich erscheinen (KG Berlin, Beschluss v. 20.1.2014, 1 W 294/03). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffenen eingetragenen Berechtigten am Verfahren nach § 12 GBO nicht beteiligt werden (BGH, Beschluss v. 6.3.1981, V ZB 18/80; OLG München, Beschluss v. 14.6.2018, 34 Wx 188/18). Erforderlich ist ein nachvollziehbarer Vortrag von Tatsachen, auf deren Grundlage das Grundbuchamt zu der Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses gelangen kann, also mehr als die bloße Behauptung von Tatsachen und mehr als ein pauschaler Vortrag (OLG Braunschweig, Beschluss v. 12.6.2019, 1 W 41/19).

Ausblick WEG-Reform

Das WEMoG wird an der Rechtslage nichts ändern.

5 Entscheidung

OLG Bremen, Beschluss v. 7.2.2020, 3 W 1/20

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