Der BGH verneint die Frage! Zwar könne das Vollstreckungsverbot des § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO auch bei der Immobiliarvollstreckung eingreifen und ende nicht mit der Eintragung der Sicherungshypothek. § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO stehe aber nicht der Vollstreckung durch sämtliche Gläubiger entgegen. Das Vollstreckungsverbot des § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO unterbinde nur die Zwangsvollstreckung aus Rechten, die gegenüber dem in Vollziehung des Vermögensarrests entstandenen Sicherungsrecht der Staatsanwaltschaft nachrangig seien. Mit der Normierung des Vollstreckungsverbots habe der Gesetzgeber nicht in vorrangige Rechte eingreifen wollen. Beseitigt werden sollte vielmehr die als "Windhundrennen" empfundene Geltung des Prioritätsgrundsatzes im Verhältnis der Verletzten einer Straftat untereinander (Hinweis auf BT-Drs. 18/9525 S. 1). Infolgedessen könne die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weiterhin die Zwangsversteigerung wegen Ansprüchen der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreiben. Soweit Hausgeldansprüche die Voraussetzungen der Rangklasse 2 des § 10 ZVG erfüllten, gingen sie den Rechten der nachfolgenden Rangklassen vor. Da die Sicherungshypothek der Staatsanwaltschaft zu den in der Rangklasse 4 geregelten Rechten an dem Grundstück gehöre, sei sie nachrangig gegenüber Ansprüchen der Rangklasse 2.

Hinweis

  1. Die BGH-Sichtweise ist der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorteilhaft. Sie hat zur Folge, dass in der Rangklasse 2 (sowie in der Rangklasse 3) auch nach Eintragung der Sicherungshypothek der Staatsanwaltschaft Absonderungsrechte i. S. v. § 49 InsO entstehen können. Der Gesetzgeber hat dieses Ergebnis nicht verhindern wollen. Vielmehr sollte die Entstehung von Absonderungsrechten durch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen unterbunden werden (BT-Drs. 18/9525 S. 78). Das Absonderungsrecht aus der Rangklasse 2 entsteht aber nicht (wie eine Zwangssicherungshypothek) durch eine Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern kraft gesetzlicher Anordnung.
  2. Das Beschwerdegericht hat im Fall noch keine näheren Feststellungen zu der Zusammensetzung der Forderung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getroffen. Es wird nun klären müssen, inwieweit die titulierten rund 8.000 EUR (noch) bevorrechtigt sind:

    • In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich der Umfang der Bevorrechtigung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ZVG auf die laufenden und die rückständigen Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten 2 Jahren. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ist wegen seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung so konzipiert, dass sich der Umfang des Vorrechts erst in dem Zwangsversteigerungsverfahren konkretisiert. Welche Forderungen bevorrechtigt sind, bestimmt sich in der Zwangsversteigerung durch eine Rückrechnung von der Beschlagnahme an (§ 20 Abs. 1, § 22 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG); auf den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung kommt es insoweit nicht an, weil § 167 ZPO nicht entsprechend anwendbar ist (BGH, Beschluss v. 22.7.2010, V ZB 178/09, Rz. 7 ff.). (Beispiel: Wird die Beschlagnahme im Jahr 2020 angeordnet, sind die Ansprüche aus dem Jahr 2018 weiterhin bevorrechtigt).
    • Forderungen, die durch Zeitablauf nicht mehr an der Bevorrechtigung teilnehmen, werden in der Rangklasse 5 des § 10 Abs. 1 ZVG berücksichtigt (BGH, Urteil v. 13.9.2013, V ZR 209/12, Rz. 18). Sie unterliegen dem Vollstreckungsverbot nach § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO.
    • Nach der Art der Ansprüche unterfallen dem Vorrecht die rückständigen Hausgelder nebst Zinsen, aber auch die Kosten des auf bevorrechtigte Ansprüche bezogenen Hausgeldprozesses als Kosten der Rechtsverfolgung i. S. v. § 10 Abs. 2 ZVG. Nicht erfasst werden die Kosten anderer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Das gilt etwa für die Kosten, die auf die Beantragung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen entfallen.
    • Da X im Fall in den Jahren 2016 bis 2018 auf das Hausgeld Teilleistungen ohne Tilgungsbestimmung erbracht hat, wird der Umfang der Bevorrechtigung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge (§ 366 Abs. 2, § 367 Abs. 1 BGB) festzustellen sein. Die Klageschrift nebst Anlagen kann dabei als Auslegungshilfe herangezogen werden, weil die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ZVG nicht auf die Titelvorlage beschränkt ist. Die Zahlungen des X sind zunächst auf die Forderungen aus den Jahren 2016 und 2017 zu verrechnen, weil die nicht mehr durch das Vorrecht gesicherten Forderungen i. S. v. § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB die geringere Sicherheit bieten.

Ausblick auf die WEG-Reform

Das WEMoG hat das ZVG wie folgt geändert:

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