Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohngeld. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz gebietet bei befristeten Rechtsmitteln in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (hier: in Wohnungseigentumssachen) von Verfassungs wegen eine Rechtsmittelbelehrung. Wird eine solche nicht erteilt und die Frist versäumt, ist einem juristisch nicht vorgebildeten und nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Rechtsmittelführer grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen beabsichtigter Abweichung von OLG Celle NZM 1999, 287, OLG Köln, Beschluß vom 29.5.2000, 16 Wx 72/00, sowie OLG Hamburg ZMR 2001, 845).

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; WEG § 45 Abs. 1; FGG § 22 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Aktenzeichen 1 T 1710/00)

AG Ingolstadt (Aktenzeichen 13 UR II 30/0)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 13. August 2001 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist vorgelegt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer größeren Wohnanlage. Die Antragsteller machen gegen den Antragsgegner, dem eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 28 m² gehört, Nachzahlungsbeträge aus Wohngeldabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 1995 bis 1998 in einer Gesamthöhe von 2.178,80 DM zuzüglich Verzugszinsen geltend. Die Jahresgesamtabrechnungen wurden durch bestandskräftige Beschlüsse in Eigentümerversammlungen vom 24.5.1996, 25.4.1997, 17.4.1998 und 16.4.1999 genehmigt. Die Einzelabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 1990 bis 1998 waren Gegenstand der Wohnungseigentümerversammlung vom 27.4.2001 und wurden mehrheitlich genehmigt. Der Antragsgegner hat den maßgeblichen Beschluß gerichtlich angefochten. Hierüber ist noch nicht entschieden.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluß vom 25.9.2000 antragsgemäß zur Zahlung verpflichtet. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners blieb in der Hauptsache erfolglos. Im Beschluß des Landgerichts vom 13.8.2001 wurde überdies ein Gegenantrag, der Aufwandsentschädigung des Antragsgegners für Bemühungen um Abhilfe wegen Tätigkeit von Prostituierten in der Wohnanlage zum Gegenstand hatte, als unzulässig verworfen. Gegen den ihm am 18.8.2001 zugestellten Beschluß richtet sich das vom Antragsgegner eigenhändig schriftlich beim Landgericht eingelegte und am 22.8.2001 eingegangene Rechtsmittel. Nach schriftlichem Hinweis des Senats vom 5.9.2001 auf die Formerfordernisse der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Antragsgegner am 18.9.2001 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bayerischen Obersten Landesgerichts sofortige weitere Beschwerde eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt. Die Antragsteller ihrerseits haben beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen und im übrigen für den Fall, daß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und das Rechtsmittel als zulässig angesehen wird, Anschlußbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts eingelegt.

II.

1. Der Senat beabsichtigt – vorrangig vor der an dieser Stelle nicht erörterungsbedürftigen Frage der Begründetheit der sofortigen weiteren Beschwerde – zunächst über die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 2, § 29 Abs. 4 FGG zu entscheiden (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 39), zumal von der Zulässigkeit des Rechtsmittels auch die Wirksamkeit der unselbständigen Anschließung abhängt (dazu BGHZ 71, 314; Keidel/Kahl § 22 Rn. 7 c). Er hält die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung für gegeben (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG), weil der Antragsgegner die Frist in Unkenntnis über die Förmlichkeiten für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde versäumt hat, ihn keine Obliegenheit traf, sich alsbald nach Zustellung der ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen landgerichtlichen Entscheidung nach Form und Frist des beabsichtigten Rechtsmittels zu erkundigen, sein Fristversäumnis somit unverschuldet war.

Der Senat sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung jedenfalls durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 10.9.1998 (NZM 1999, 287) und den nicht veröffentlichten Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 29.5.2000 (Az. 16 Wx 72/00) gehindert. Beide Gerichte haben in einer Wohnungseigentumssache Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die sofortige weitere Beschwerde verworfen. Die Oberlandesgerichte Celle und Köln sind mit der ganz herrschenden Meinung in der Rechtsprechung der Ansicht, daß ein juristisch nicht vorgebildeter und nicht durch einen Rechtsanwalt vertretener Rechtsmittelführer, dem keine Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, sich alsbald nach Zugang einer ihm nachteiligen gerichtlichen Entscheidung bei einer zuständigen Stelle über die Voraussetz...

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