Leitsatz (amtlich)

1. Der Erschließungsvertrag zwischen einer Gemeinde und dem Erschließungsträger ist auch dann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, wenn darin eine Sicherungsabrede für den Fall der Nichterfüllung des Vertrages aufgenommen ist. Aus einer solchen Sicherungsabrede abgeleitete Ansprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur.

2. Die dreijährige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 S. 1 BayAGBGB findet auf Zahlungsansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag keine Anwendung. Vielmehr gelten insoweit die Verjährungsvorschriften des BGB entsprechend.

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 18.07.2002; Aktenzeichen 19 U 2716/02)

LG München II (Aktenzeichen 4 O 3802/01)

 

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des OLG München vom 18.7.2002 aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einer Gemeinde, die Erstattung eines nach ihrer Auffassung zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürgschaftsbetrages.

Die Klägerin und ihr verstorbener, von ihr allein beerbter Ehemann betrieben im Gemeindegebiet der Beklagten eine Landwirtschaft. Im Jahr 1982 stellte die Beklagte für die landwirtschaftlichen Grundstücke der Eheleute einen Bebauungsplan auf, der die Nutzung des Gebietes für Wohnungsbau und den Bau eines Altersheims vorsah. Am 30.3.1982 schlossen die Eheleute mit der Beklagten einen notariell beurkundeten Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, auf ihren Grundstücken sowie auf bestimmten, im Eigentum Dritter stehender Grundstücke Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. In § 6 Nr. 1 des Erschließungsvertrages heißt es:

Der Erschließer verpflichtet sich, die im Bebauungsplan liegenden, insbes. folgende Erschließungsanlagen auf seine Kosten herzustellen bzw. herstellen zu lassen; mit Ausnahme der Straßenteile auf den Fremdgrundstücken ..., wenn die Zustimmung der jeweiligen Grundeigentümer nicht vorliegt.

§ 10 des Erschließungsvertrages lautet auszugsweise:

Übernahme der öffentlichen Flächen.

Nach Abschluss der Baumaßnahme und Schlussabnahme übernimmt die Gemeinde die öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen sowie Kinderspielplätze in ihre Verwaltung und Unterhaltung. Der Termin für die Schlussabnahme kann frühestens nach Abnahme der Bauleistungen im Sinne der VOB beantragt werden. ... Mit der Schlussabnahme gehen sämtliche Rechte des Erschließers aus den Bauleistungsverträgen mit allen an der Erschließung beteiligten Unternehmen auf die Gemeinde über. ...

§ 11 des Erschließungsvertrages lautet auszugsweise wie folgt:

Sicherheitsleistungen

Zur Sicherung des Anspruchs auf Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen, insbes. hinsichtlich der Erstellung aller Erschließungsanlagen, hinterlegt der Erschließer... eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer mündelsicheren Kreditanstalt i.H.v. 3 Mio. DM, die er unverzüglich nach Abnahme der Erschließungsmaßnahmen zurückerhält. ...

In Erfüllung von § 11 des Erschließungsvertrages veranlassten die Eheleute die Kreissparkasse, ggü. der Beklagten am 30.3.1982 eine selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern über 3 Mio. DM abzugeben.

In der Folgezeit wurden die Grundstücke der Eheleute erschlossen. Die Bauleistungen der ausführenden Firmen wurden in Abschnitten abgenommen. Eine erste Abnahme erfolgte am 5.6.1986, zu einer zweiten Abnahme kam es am 15.6.1988. Zu diesem Zeitpunkt waren die Erschließungsanlagen auf den in § 6 Nr. 1 Halbs. 2 des Erschließungsvertrages genannten fremden Grundstücke noch nicht hergestellt. Die Beklagte erwarb die für die Erschließung benötigten Teilflächen aus diesen Grundstücken mit notariellem Vertrag vom 30.4.1987 und vom 29.7.1988. Am 6.10.1988 forderte die Beklagte die Eheleute auf, auf den Fremdgrundstücken die restlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen; sie kündigte an, andernfalls die Erfüllungsbürgschaft in Anspruch zu nehmen. Nachdem die Eheleute weitere Baumaßnahmen ablehnten, gab die Beklagte die weiteren Bauleistungen in Auftrag. Die entsprechenden Arbeiten wurden von Mai 1989 bis April 1990 durchgeführt.

Mit Schreiben vom 13.12.1990 nahm die Beklagte die Bürgschaft der Kreissparkasse i.H.v. 327.827,10 DM in Anspruch; der Betrag wurde am 31.12.1990 geleistet. Die Eheleute kamen für diesen Betrag ggü. der Kreissparkasse auf.

Die Beklagte machte in der Folgezeit ggü. den Eheleuten einen weiteren Kostenerstattungsanspruch für die Erschließungsarbeiten auf den Fremdgrundstücken i.H.v. 135.572,03 DM geltend. Dieser Anspruch wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12.1.1999 mit der Begründung abgewiesen, die Eheleute seien nicht verpflichtet gewesen, die Erschließungsmaßnahmen auf den Fremdgrundstücken durchzuführen.

II. Mit am 2.7.2001 erhobener Klage forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des von ihr und ihrem Ehemann aufgrund der Bürgschaftsinanspruchnahme geleisteten Betrages von 327.887,10 DM. Die Klägerin trug vor, sie und ihr Ehemann sei...

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