Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich. Wertermittlung. Beamtenbezug. Sonderzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verminderung der Sonderzahlung nach § 4a Bundessonderzahlungsgesetz führt zu einer Verkürzung der beamtenrechtlichen Brutto-Versorgungsbezüge und ist deshalb bei der Wertermittlung im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen; die rechtspolitische Erklärung dieser Verkürzung als "Abzug für Pflegeleistungen" ändert daran nichts.

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1; BSZG § 4a

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Beschluss vom 23.03.2006; Aktenzeichen 7 UF 45/06)

AG Idar-Oberstein (Entscheidung vom 06.01.2006; Aktenzeichen 8 F 162/05)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats - 4. Senat für Familiensachen - des OLG Koblenz vom 23.3.2006 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass für die Antragsgegnerin gesetzliche Rentenanrechte nur i.H.v. 445,83 EUR (nicht: 456,86 EUR) begründet werden.

Beschwerdewert: 1.000 EUR

 

Gründe

I.

[1] Die Parteien streiten um den Versorgungsausgleich.

[2] Die am 14.10.1987 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 16.3.2005 zugestellten Antrag durch Urteil vom 31.8.2005 rechtskräftig geschieden. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wurde abgetrennt.

[3] In der Ehezeit (1.10.1987 bis 28.2.2005, § 1587 Abs. 2 BGB) hat der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann, geboren am 30.1.1960) Anrechte auf eine Soldatenversorgung bei der Wehrbereichsverwaltung Süd (weitere Beteiligte zu 1)) erworben, deren Höhe - unter Berücksichtigung der gem. § 4a BSZG erfolgten Verminderung der Sonderzahlung - monatlich 1.102,39 EUR, bezogen auf das Ehezeitende, beträgt. Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau, geboren am 16.7.1955) hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe monatlich 188,68 EUR, bezogen auf das Ehezeitende, erworben.

[4] Das AG - FamG - hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es zu Lasten der Soldatenversorgung des Ehemannes auf dem Rentenkonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Versorgungsanrechte i.H.v. monatlich 506,86 EUR, bezogen auf das Ehezeitende, begründet hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) hat das OLG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass für die Ehefrau Rentenanwartschaften i.H.v. 456,86 EUR (nicht, wie vom AG rechenfehlerhaft ermittelt, i.H.v. 506,86 EUR) begründet werden. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte zu 1) mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde, mit der sie - wie auch schon im Beschwerdeverfahren - erreichen will, dass die aufgrund des § 4a BSZG erfolgte Verminderung der Sonderzahlung bei der Versorgung des Ehemannes im Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleibt und der Ehezeitanteil dieser Versorgung deshalb mit 1.111,85 EUR (statt mit 1.102,39 EUR), monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, in Ansatz gebracht wird.

II.

[5] Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[6] 1. Nach Auffassung des OLG ist die von § 4a BSZG vorgeschriebene Verminderung der Sonderzahlung bei der Ermittlung des Wertes der Soldatenversorgung des Ehemannes im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Wertes der auszugleichenden Versorgungen sei von Bruttobeträgen auszugehen mit der Folge, dass die vom Rentenversicherungsträger einbehaltenen Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung unberücksichtigt blieben. Bei der von § 4a BSZG vorgeschriebenen Verminderung der Sonderzulage handele es sich jedoch nicht um solche Versicherungsbeiträge. Richtig sei zwar, dass Rentner in vollem Umfang Beiträge zur Pflegeversicherung zu erbringen hätten, während Pflegeleistungen an Versorgungsempfänger anteilig von der Beihilfe gedeckt würden; mit der Verminderung der Sonderzuwendung solle eine Gleichstellung von Versorgungsempfängern und Rentnern bewirkt und erreicht werden, dass im wirtschaftlichen Ergebnis auch die Versorgungsempfänger mit einem vollen Beitrag am Pflegerisiko beteiligt würden. Dies ändere indes nichts daran, dass dieses sozialpolitische Ziel vom Gesetzgeber im Wege einer allgemeinen Kürzung der Versorgungsbezüge umgesetzt worden sei; diese Absenkung der Bruttoversorgungsbezüge lasse sich nicht unter Berufung auf das mit ihr verfolgte legislative Ziel in einen Versicherungsbeitrag umdeuten. Für den Versorgungsausgleich ergebe sich daraus die Konsequenz, dass die beamtenrechtlichen Versorgungsanrechte nur mit ihrem um die Verminderung der Sonderzulage verringerten (Brutto-) Wert im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen seien.

[7] 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

[8] a) Die Frage, ob die Verminderung der Sonderzahlung gem. § 4a BSZG im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist, wird in der Rechtsprechung der OLG unterschiedlich beurteilt.

[9] Gegen eine Berücksichtigung haben sich das OLG Nürnberg (FamRZ 2005, 1479), das OLG Rostock (NJW-RR 2007, 802) und - soweit ersichtlich - der 5. und der 1. Senat für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig (Beschlüsse vom 14.3.2005 und 27.9.2005, nicht veröffentlicht) ausgesprochen. Nach Auffassung der OLG Nürnberg und Rostock wird durch § 4a BSZG die Übernahme des vollen Beitragssatzes zur Pflegeversicherung, wie er für Rentner seit dem 1.4.2004 (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB XI) eingeführt worden sei, auf Versorgungsempfänger wirkungsgleich übertragen, indem die zusätzlichen monatlichen Beitragsanteile des laufenden Kalenderjahres einmalig im Dezember von der jährlichen Sonderzuwendung einbehalten würden. Die Regelung führe zu einer vereinfachten Abrechnung erhöhter Zahlungen an die Pflegeversicherung. Diese Zahlungen seien deshalb bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu berücksichtigen.

[10] Zu berücksichtigen ist die Verminderung der Sonderzahlung dagegen nach Auffassung des OLG Celle (FamRZ 2008, 900, 902), des OLG München (Beschlüsse vom 30.12.2005 - 17 UF 865/05 - nicht veröffentlicht; ferner vom 7.6.2005 - 4 UF 97/05 -; v. 29.9.2005 - 4 UF 259/05 - beide zitiert nach juris), des OLG Köln (OLGR 2006, 44), des OLG Oldenburg (OLGR 2006, 53), des 2. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig (OLGR 2005, 782) sowie des 4. Zivilsenats des OLG Koblenz (FamRZ 2006, 708, 709). Bei der Verminderung der Sonderzulage handele es sich um eine Verkürzung der jährlichen Bruttobezüge und nicht um einen Abzug für Sozialleistungen (ebenso Wick, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl. Rz. 108 m.w.N.).

[11] b) Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an.

[12] Bei der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs ist grundsätzlich von den Bruttobeträgen der in den Ausgleich einzubeziehenden Versorgungen auszugehen; Beiträge zur Kranken- oder Pflegeversicherung, die auf diese Versorgungen entfallen und von den Versorgungsträgern an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt werden, bleiben deshalb bei der Ermittlung des auszugleichenden Wertes des Versorgungsanrechts unberücksichtigt (st.Rspr. vgl. etwa BGH v. 25.10.2006 - XII ZB 211/04, FamRZ 2007, 120, 122).

[13] Dieser Grundsatz führt jedoch nicht dazu, bei der Ermittlung der Höhe einer ehezeilich erworbenen Beamten-, Richter- oder Soldatenversorgung die von § 4a BSZG vorgeschriebene Verminderung der jährlichen Sonderzahlung unberücksichtigt zu lassen. Denn diese Verminderung ist kein Versicherungsbeitrag, den der Dienstherr für seine Versorgungsempfänger an einen Versicherungsträger - etwa an die gesetzliche Pflegeversicherung - abführt. Der Dienstherr versichert seine Versorgungsempfänger nicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung; er deckt - über die Beihilfe - vielmehr selbst anteilig das Pflegerisiko ab, das im Übrigen von (Pflege-)Versicherungen getragen wird, mit denen die Versorgungsempfänger privatrechtliche Versicherungsverträge abschließen. Die Deckung des für den Dienstherrn verbleibenden anteiligen Pflegerisikos ist auch keine eigene Versicherungsleistung, die der Dienstherr seinen Versorgungsempfängern erbringt und für die er ein - über die Kürzung der Sonderzahlung gem. § 4a BSZG abzurechnendes - Entgelt erhielte. Vielmehr erfüllt der Dienstherr mit der anteiligen Deckung des Pflegerisikos seine Alimentationspflicht. Zwar ist der Dienstherr grundsätzlich nicht gehindert, den Umfang seiner Alimentationspflicht näher zu regeln und dabei, wie in der Vergangenheit wiederholt geschehen, auch im Interesse einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu reduzieren. Eine solche Reduktion mag rechtspolitisch als ein Äquivalent für die fortdauernde Absicherung eines Teils des Pflegerisikos erklärt und mit einer wünschenswerten Gleichstellung der Versorgungsempfänger mit Rentnern begründet werden, die gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB XI seit dem 1.4.2004 volle (und nicht - wie bis dahin - nur hälftige) Beiträge zur Pflegeversicherung erbringen müssen und deshalb eine um diese vollen Beiträge verminderte Rente erhalten (vgl. BT-Drucks. 15/3444, 4). Diese rechtspolitische Begründung ändert indes nichts an dem grundlegenden Unterschied zwischen einer - wie auch immer motivierten - Kürzung von beamtenrechtlichen Versorgungen einerseits und der Abführung von gesteigerten Versicherungsbeiträgen durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits. Dieser Unterschied wird, worauf das Schleswig-Holsteinische OLG in Schleswig (OLGR 2005, 782, 783) mit Recht hinweist, auch darin deutlich, dass die von der gesetzlichen Rente einbehaltenen Beiträge zur Pflegeversicherung zweckbestimmt sind und notwendig der Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten zugute kommen. Die Verminderung der Sonderzahlung kennt dagegen eine solche Zweckbindung - unbeschadet der Überschrift des § 4a BSZG ("Abzug für Pflegeleistungen") und einer nur gesetzestechnischen Anknüpfung des Verminderungsbetrags an die Regelungen über die Pflegeversicherung - nicht; die mit der Verminderung erzielten Einsparungen kommen vielmehr undifferenziert dem Bundeshaushalt zugute. Für das System des Versorgungsausgleichs kann dieser grundlegende Unterschied nicht unbeachtet bleiben: Die Verminderung nach § 4a BSZG führt zu einer Absenkung der Bruttoversorgung, die sich auf die Höhe der in den Ausgleich einzustellenden Versorgung auswirkt. Pflegeversicherungsbeiträge vermindern - ebenso wie Krankenversicherungsbeiträge - zwar als Abzug von der Bruttorente deren Zahlbetrag, wirken sich aber auf die Höhe des versorgungsausgleichsrelevanten Rentenwertes nicht aus.

[14] 3. Das OLG hat deshalb die ehezeitanteilige Höhe der vom Ehemann erworbenen Anrechte auf Soldatenversorgung ggü. der Beteiligten zu 1) zutreffend unter Berücksichtigung der nach § 4a BSZG erfolgten Verminderung der jährlichen Sonderzuwendung ermittelt. Allerdings ist für die Berechnung der jährlichen Sonderzahlung der zur Zeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich maßgebende Bemessungsfaktor heranzuziehen (vgl. etwa BGH v. 14.3.2007 - XII ZB 85/03, FamRZ 2007, 994, 995 m.w.N.). Dieser beträgt nunmehr (2008) 2,085 % der Versorgungsbezüge für das Kalenderjahr (§ 4 Abs. 1 BSZG i.d.F. des Art. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes vom 29.6.2006 BGBl. I, 1402), während der vom OLG herangezogenen Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1) noch ein Bemessungsfaktor von 4,17 % zugrunde lag. Der niedrigere Bemessungsfaktor ist unbeschadet seiner - zunächst - auf die Jahre 2006 bis 2010 befristeten Geltung als derzeit maßgebend zugrunde zu legen (so etwa auch OLG Celle FamRZ 2008, 900, 902). Damit errechnet sich die Höhe der Sonderzuwendung wie folgt: Der Jahresbetrag des Ruhegehalts beträgt (12x 2.232,76 =) 26.793,12 EUR. Die jährliche Sonderzahlung beträgt davon 2,085 % = 558,64 EUR. Sie ist gem. § 4a BSZG um 0,85 des jährlichen Gesamtbetrags, mithin um (26.793,12 EUR + 558,64 EUR = 27.351,76 EUR; davon 0,85 % =) 232,49 EUR, zu vermindern und beträgt damit (558,64 EUR - 232,49 EUR =) 326,15 EUR jährlich, also 27,18 EUR monatlich. Der Monatsbetrag des Ruhegehalts und der - verminderten - Sonderzahlung beträgt mithin (2.232,76 EUR + 27,18 EUR =) 2.259,94 EUR. Hieraus errechnet sich der Ehezeitanteil der Soldatenversorgung des Ehemannes von (17,41 [in die Ehezeit fallende Dienstjahre]: 36,42 Jahre [Gesamtzeit] x 2.259,94 EUR =) 1.080,33 EUR. Dem stehen die von der Ehefrau in der Ehezeit erworbenen gesetzlichen Rentenanrechte i.H.v. 188,68 EUR gegenüber. Die auszugleichende Versorgungsdifferenz beträgt 891,65 EUR; in Höhe der Hälfte dieses Betrages, also 445,83 EUR, sind für die Ehefrau Rentenanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen. Mit dieser Maßgabe war der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) deshalb der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2032630

BGHR 2008, 1217

EBE/BGH 2008

FamRZ 2008, 1833

FuR 2008, 551

NJW-RR 2008, 1529

MDR 2008, 1278

FamRB 2008, 364

FK 2008, 197

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