Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschiebungshaft. Aufhebung des Haftanordnungsbeschlusses. Feststellung der Rechtswidrigkeit. Beschlussergänzung

 

Leitsatz (amtlich)

Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne über den zugleich gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zu entscheiden, und geht aus den Gründen hervor, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist, scheidet eine Beschlussergänzung gem. § 43 FamFG aus (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss v. 6.3.2014 - V ZB 205/13).

 

Normenkette

FamFG §§ 43, 62

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 18.12.2013; Aktenzeichen 7 T 489/13)

AG Straubing (Beschluss vom 19.11.2013; Aktenzeichen XIV 25/13)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des LG Regensburg - 7. Zivilkammer - vom 18.12.2013 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Betroffenen erkannt ist, und festgestellt, dass der Beschluss des AG Straubing vom 19.11.2013 ihn in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Straubing-Bogen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 EUR.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste ohne gültige Einreisedokumente in die Bundesrepublik Deutschland ein. Eine Abfrage in der EURODAC-Datei ergab, dass er in der Slowakischen Republik einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das AG mit Beschluss vom 19.11.2013 Abschiebungshaft bis zum 31.12.2013 angeordnet. Der Betroffene hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt verbunden mit dem Antrag auf Feststellung, durch die Inhaftierung in seinen Rechten verletzt zu sein. Das LG hat die Haftanordnung wegen Unzulässigkeit des Haftantrages aufgehoben. Über den Feststellungsantrag hat es hingegen nicht entschieden; dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 2

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts bedurfte es infolge der Aufhebung des Haftanordnungsbeschlusses nicht der von dem Betroffenen weiter beantragten Feststellung, dass die angefochtene Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt hat.

III.

Rz. 3

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Rz. 4

Ein auf Beschlussergänzung gem. § 43 FamFG gerichtetes Verfahren kommt hier nicht in Betracht. Denn das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der Haftanordnungsbeschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, nicht versehentlich übergangen (dazu Senat, Beschl. v. 6.3.2014 - V ZB 205/13). Vielmehr ist eine Entscheidung aus der (unzutreffenden) rechtlichen Erwägung unterblieben, infolge der Aufhebung des Anordnungsbeschlusses bedürfe es einer solchen Feststellung nicht. Dies stellt kein Übergehen i.S.v. § 43 Abs. 1 FamFG dar. Ein Antrag ist nur "übergangen", wenn er versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn - wie hier - aus den Gründen hervorgeht, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist (vgl. zur gleichartigen Bestimmung zur Urteilsergänzung in § 321 ZPO: BGH, Urt. v. 16.12.2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rz. 9; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.7.2013 - V ZB 74/12, FamRZ 2013, 1572). In einem derartigen Fall scheidet eine Beschlussergänzung aus; die Beschwerdeentscheidung muss vielmehr - wie vorliegend mit der Rechtsbeschwerde auch geschehen - mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel angefochten werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rz. 70; Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 171/04, NJW-RR 2008, 851 Rz. 28).

Rz. 5

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Rz. 6

a) Hat ein in Abschiebungshaft befindlicher Ausländer die Beschwerde gegen die Haftanordnung zulässigerweise mit dem Antrag analog § 62 FamFG verbunden, festzustellen dass er durch die angefochtene Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist, muss das Beschwerdegericht über beide Anträge entscheiden. Die Anträge verfolgen nicht dasselbe Rechtsschutzziel. Ziel einer Beschwerde gegen die Haftanordnung ist die Beseitigung der Freiheitsentziehung. Ziel des Feststellungsantrags ist die Rehabilitierung des Betroffenen in Bezug auf den mit der Haftanordnung verbundenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens. Den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz bei Freiheitsentziehungen (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) wird bei unrechtmäßigen Inhaftierungen nur entsprochen, wenn dem Rehabilitierungsinteresse umfassend Rechnung getragen wird. Vor diesem Hintergrund ist auf einen Antrag des Betroffenen die Verletzung seiner Rechte durch die Inhaftierung auch dann auszusprechen, wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Haftanordnung die Freiheitsentziehung beendet (BGH, Beschl. v. 11.10.2012 - V ZB 238/11, FGPrax 2013, 39 Rz. 6, 7; Beschl. v. 14.10.2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rz. 12).

Rz. 7

b) Der Feststellungsantrag ist begründet, da die Abschiebungshaft nicht hätte angeordnet werden dürfen. Der Haftantrag ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - unzulässig, da er keine ausreichenden Angaben zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält. Der Mangel wurde auch nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt.

IV.

Rz. 8

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2, 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Soweit über die Kosten bereits in dem nicht angefochtenen Beschluss des Beschwerdegerichts entschieden worden ist, hat der Kostenausspruch lediglich klarstellende Bedeutung.

Rz. 9

Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6705703

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