Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Vor- und Nacherbschaft genügt es für einen Antrag auf Ersuchen um Löschung des Hofvermerks nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO, wenn nur bestimmte Personen als Nacherben in Betracht kommen und diese alle, wie auch der Vorerbe, die Hofaufgabeerklärung abgegeben haben.

 

Normenkette

HöfeVfO § 3 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 15.07.2003; Aktenzeichen 15 W 178/03)

AG Menden (Sauerland)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) bis 5) wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des OLG Hamm v. 15.7.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer des im Grundbuch von L. , Blatt 4130, eingetragenen Hofes nach der Höfeordnung. Er hat den Hof von seinem 1975 verstorbenen Vater auf Grund testamentarischer Einsetzung als Hofvorerbe geerbt. Als Nach- und Ersatzerben sind in dem Testament die leiblichen und ehelichen Kinder des Beteiligten zu 1), die Beteiligten zu 2) bis 5), "zu gleichen Teilen" eingesetzt. Als Nach- bzw. Ersatzerben sind die leiblichen und ehelichen Kinder der Schwester des Beteiligten zu 1), A. L. , "zu gleichen Teilen" eingesetzt und als weitere nachrangige Nach- bzw. Ersatzerbin A. L. selbst.

Zu Gunsten der Beteiligten zu 2) bis 5) und zu Gunsten von A. L. , die 1927 geboren wurde und unverheiratet und kinderlos geblieben ist, ist ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben beantragt, das Grundbuchamt zur Löschung des Hofvermerks zu ersuchen. Das Landwirtschaftsgericht hat diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 2) bis 5) ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Die nach § 24 Abs. 1 S. 1 LwVG zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.

1. Entgegen der - von dem Beschwerdegericht aufrechterhaltenen - Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts ist der Antrag der Beteiligten, das Grundbuchamt um Löschung des eingetragenen Hofvermerks zu ersuchen, zulässig. Das Fehlen formeller Voraussetzungen (§ 4 HöfeVfO) ist weder festgestellt noch ersichtlich. Ob der Antragsteller, allein oder mit anderen oder jedenfalls mit deren Zustimmung, die Aufgabe der Hofeigenschaft erklären kann, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.

2. Die Begründetheit des Antrags hängt davon ab, ob die Beteiligten die Hofeigenschaft wirksam durch entsprechende Erklärung aufgehoben haben.

a) Die Frage, ob bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft die Hofeigenschaft vor Eintritt des Nacherbfalls durch Erklärung des Vorerben, ggf. mit Zustimmung der Nacherben, aufgehoben werden kann, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird angenommen, der Hofvorerbe könne durch Hofaufhebungserklärung den Eintritt der Hofnacherbschaft ausschließen (Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. 98). Eine andere Ansicht steht demgegenüber auf dem Standpunkt, eine wirksame Hofaufgabeerklärung könne der Hofvorerbe nur mit Zustimmung des Nacherben abgeben (OLG Celle RdL 1960, 42; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 1 Rz. 107). Weiter gehend wird auch vertreten, der Hofvorerbe sei durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft gebunden und könne selbst mit Zustimmung des Nacherben die Hofeigenschaft nicht aufheben (OLG Celle v. 25.9.1987 - 7 W 30/87, RdL 1987, 326 [327]; Dressler, AgrarR 2001, 265 [271]; Faßbender, AgrarR 1992, 190 [191]; Faßbender in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rz. 63).

b) Der Senat hat sich mit der Problematik bislang nicht generell, sondern nur anhand von zwei Einzelfällen befasst.

In dem ersten Fall (BGH, Beschl. v. 19.7.1991 - BLw 8/90, MDR 1992, 383 = AgrarR 1992, 78) war es so, dass der Vorerbe vor Eintritt des Vorerbfalls bereits Miteigentümer des Landguts war. Erst mit Eintritt des Vorerbfalls war nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HöfeO a. F. ein Hof entstanden; vorher stand dem das fehlende Alleineigentum entgegen. Bei dieser Situation hat der Senat angenommen, dass der Hofeigentümer und Hofvorerbe (sobald er es geworden war) die Hofeigenschaft - ohne Zustimmung der Nacherben - aufheben könne. Daraus lassen sich (worauf Dressler, AgrarR 2001, 265 [271], zu Recht hinweist) keine zu verallgemeinernden Aussagen herleiten. Die Entscheidung für ein Aufgaberecht des Vorerben ohne Zustimmung der Nacherben ist allein darauf gestützt, dass durch die Hofaufgabe die frühere, für die Nacherben günstigere Rechtslage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch wiederhergestellt worden sei. Erst der Vorerbfall ließ den landwirtschaftlichen Besitz zum Hof werden mit der Folge, dass nun - anders als zuvor - die eingesetzten Nacherben dem Hofnacherben weichen mussten. Diese Schlechterstellung beseitigt die Hofaufgabeerklärung. Dass dies zu Lasten des sonst vorgehenden Hoferben geht, hat dieser hinzunehmen. Ihm war eine solche Stellung vom Erblasser nicht eingeräumt worden; sie ergab sich erst aus der mit dem Eintritt des Vorerbfalls verbundenen Gesetzeslage. Aus diesen Besonderheiten des entschiedenen Falles lässt sich nicht die generelle Aussage ableiten, der Hofvorerbe könne stets, und gar ohne Zustimmung der Nacherben, die Hofeigenschaft aufheben.

Die zweite Entscheidung (BGH, Urt. v. 7.11.1997 - LwZR 6/97, AgrarR 1998, 215) betrifft keinen Fall der Vor- und Nacherbschaft, ist aber insoweit aussagekräftig, als der Senat in einer Konstellation, bei der mehrere Erben als Hofeigentümer in Betracht kamen, eine Aufgabeerklärung aller Prätendenten als Grundlage für eine Löschung des Hofvermerks hat genügen lassen. Entscheidend war für ihn allerdings, dass nur bestimmte Personen als Hofeigentümer in Betracht kamen und dass diese alle formgerecht eine negative Hoferklärung abgaben.

c) Ausgehend von dieser zweiten Entscheidung muss es auch im Fall der Vor- und Nacherbschaft für einen Antrag auf Ersuchen um Löschung des Hofvermerks nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO als ausreichend erachtet werden, wenn nur bestimmte Personen als Nacherben in Betracht kommen und diese alle, wie auch der Vorerbe, die Hofaufgabeerklärung abgegeben haben.

Allerdings ist es richtig, dass eine Aufhebung der Hofeigenschaft zu einer Änderung des Erbstatuts führt (Faßbender, AgrarR 1992, 190 [191]; Fassbender in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rz. 63) und dass es an sich weder dem Vorerben noch dem Nacherben zusteht, in die auf dem Erblasserwillen bestehenden erbrechtlichen Regelungen einzugreifen (vgl. auch OLG Celle v. 25.9.1987 - 7 W 30/87, RdL 1987, 326 [327]). Das steht der gemeinsamen negativen Hoferklärung durch Vor- und Nacherben aber nicht entgegen.

Die von der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ausgehenden Bindungen sind beschränkt. Soweit Verfügungen des Vorerben nach § 2113 BGB unwirksam werden können, vermeidet die Zustimmung des Nacherben zu der Verfügung den Eintritt dieser Rechtsfolge (vgl. nur RG RGZ 65, 214; Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 2113 Rz. 6; Grunsky in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 2113 Rz. 15 m. w. N.). Der Erblasser kann somit durch Einsetzung einer Vor- und Nacherbschaft nicht sicherstellen, dass bestimmte Vermögensgegenstände im Wege der Erbfolge letztlich dem Nacherben zufallen. Ebensowenig kann er sicherstellen, dass es überhaupt zum Eintritt des Nacherbfalls kommt. So können Vor- und Nacherben im Zusammenwirken die Anordnung der Nacherbschaft dadurch unterlaufen, dass sie die Nacherbenrechte auf den Vorerben übertragen (Dressler, AgrarR 2001, 265 [271]; Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 2108 Rz. 8). Der Vorerbe wird dann Vollerbe und könnte die negative Hoferklärung abgeben (Dressler, AgrarR 2001, 265 [272]).

Angesichts dessen gibt es keinen zwingenden Grund, der gemeinsamen Erklärung von Vor- und (sämtlichen) Nacherben, den Hof aufzugeben, die Wirksamkeit zu versagen. Die Annahme, dass die Erbfolge nach Höferecht, die mit dem Vorerbfall eingetreten sei, bis zum Nacherbfall nicht mehr korrigiert werden dürfe (so Dressler, AgrarR 2001, 265 [271]; Faßbender, AgrarR 1992, 190 [191]), trifft so nicht zu. Auf sie kann lediglich erbrechtlich nicht abändernd eingewirkt werden. Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind - wie dargelegt - indes nicht ausgeschlossen. Ebensowenig sind Erklärungen zur Hofeigenschaft ausgeschlossen, unabhängig davon, ob man darin eine Verfügung sieht oder nicht (vgl. verneinend Dressler, AgrarR 2001, 265 [271]; bejahend Pikalo, RdL 1958, 125 [126]). Dementsprechend hat es der Senat z. B. auch für zulässig erachtet, dass ein erbrechtlich in der Hofübertragung gebundener Erblasser die negative Hoferklärung abgibt, auch wenn dadurch eine Vererbung nach Höferecht nicht mehr möglich ist, der Hoferbe seinen Sonderstatus also verliert (BGH v. 14.5.1987 - BLw 2/87, BGHZ 101, 57 = MDR 1987, 932).

d) Erforderlich ist allerdings eine Zustimmung aller Nacherben. Stehen sie noch nicht fest oder besteht die Möglichkeit, dass zu den bislang feststehenden weitere hinzutreten, etwa dadurch, dass Kinder eingesetzt sind, die durch nachfolgende Geburt oder Adoption den Status eines Nacherben erlangen können, so ist eine Aufhebung der Hofeigenschaft durch den Hofvorerben mit Zustimmung nur der bislang vorhandenen oder bekannten Nacherben nicht möglich. Die Rechte der, wenn auch nur potenziell weiteren Erben würden hierdurch verletzt.

3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lässt sich die Wirksamkeit der Hofaufgabeerklärung weder bejahen noch - wie aber das Beschwerdegericht angenommen hat - verneinen.

a) Soweit das Beschwerdegericht die Enkelkinder des Beteiligten zu 1) als potenzielle Nacherben angesehen und folglich deren Zustimmung für erforderlich gehalten hat, ist ihm nicht zu folgen. Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass Enkelkinder des Beteiligten zu 1) in dem Testament des Erblassers nicht bedacht sind. Bedacht sind die "leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1), ersatzweise die "leiblichen und ehelichen Kinder" der Schwester des Beteiligten zu 1) und wiederum ersatzweise die Schwester des Beteiligten zu 1) selbst.

b) Soweit die Schwester des Beteiligten zu 1) als Ersatznacherbin eingesetzt ist, fehlt zwar ihre Zustimmung. Diese ist aber entbehrlich, wenn die Schwester des Beteiligten zu 1) nicht wirtschaftsfähig i. S. d. §§ 7 Abs. 1, 6 Abs. 6 S. 1 und 2 HöfeO ist. Sie schiede dann als Erbin aus. Ob die Bedachte wirtschaftsfähig ist, ist nicht festgestellt. Hohes Alter schließt für sich genommen die Wirtschaftsfähigkeit zwar nicht aus (Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., § 6 Rz. 116 ff.), gibt aber Anlass zu besonderer Nachprüfung.

c) Soweit "die leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1) bzw. von dessen Schwester "zu gleichen Teilen" eingesetzt sind, ist eine solche Hoferbenbestimmung nicht möglich. Eingesetzt werden kann nur eine natürliche Person als Alleineigentümer oder ein Ehepaar (siehe nur Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., § 7 Rz. 25, 26, 28). Es ist daher tatrichterlich zu prüfen, ob diese - sonst unwirksame - Erbeinsetzung im Wege der Auslegung oder Umdeutung (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., § 7 Rz. 69; von Jeinsen in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 7 Rz. 21; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 7 Rz. 8) als eine dem Höferecht entsprechende Verfügung aufrechterhalten werden kann.

d) Zu prüfen bleibt schließlich auch, ob es nach der testamentarischen Nacherbenbestimmung ausgeschlossen ist, dass noch weitere, jetzt noch nicht bekannte Nacherben in Betracht zu ziehen sind. Da jedenfalls deren Zustimmung fehlt, scheiterte der Antrag dann an diesem Erfordernis. Diese Frage bedarf dann der Klärung, wenn die Einsetzung der "leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1) bzw. von dessen Schwester, obwohl "zu gleichen Teilen" bedacht, aufrechterhalten werden kann. Es müsste dann insbesondere, ebenfalls durch Auslegung, ermittelt werden, ob darunter auch Adoptivkinder fallen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16.11.1982 - IVa ZR 52/81, AgrarR 1983, 157), da deren Hinzutreten nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1157789

BGHR 2004, 1099

FamRZ 2004, 1196

NJW-RR 2004, 1233

ZEV 2004, 335

MDR 2004, 1061

Rpfleger 2004, 474

RNotZ 2004, 508

ZNotP 2004, 373

AuUR 2005, 89

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