Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch für Verfahrensbeistand

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands entsteht in dem Moment, in dem er mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG begonnen hat und in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist.

 

Normenkette

FamFG § 158 Abs. 7 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.08.2010; Aktenzeichen 5 UF 236/10)

AG Offenbach (Entscheidung vom 01.06.2010; Aktenzeichen 316 F 2242/09)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt vom 16.8.2010 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 2 FamGKG). Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Rechtsbeschwerdeführer auferlegt (§ 81 FamFG).

Verfahrenswert: bis 600 EUR

 

Gründe

A.

Rz. 1

Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, wann der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistandes nach § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG entsteht.

Rz. 2

Das AG hat in einem Verfahren auf Entziehung der elterlichen Gesundheitssorge nach § 1666 BGB die Rechtsbeschwerdegegnerin gem. § 158 FamFG als Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bestimmt. Dabei hat es den Aufgabenkreis des Beistandes nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erweitert und zudem festgestellt, dass die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt wird. Die Rechtsbeschwerdegegnerin hat zunächst Einsicht in die Gerichtsakten genommen und sodann vergeblich versucht, Kontakt mit der Kindesmutter aufzunehmen. Mit Schreiben vom 2.2.2010 hat das Jugendamt mitgeteilt, dass die betroffene Familie abgemeldet und nach Auskunft eines Nachbarn zurück nach Polen verzogen sei.

Rz. 3

Das AG hat den Antrag der Rechtsbeschwerdegegnerin, für sie eine Vergütung i.H.v. 550 EUR nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG festzusetzen, zurückgewiesen und zugleich die Beschwerde zugelassen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Rechtsbeschwerdegegnerin hat das Beschwerdegericht die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen wendet sich das Land mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

I.

Rz. 5

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts besteht aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung bei der Anwendung von § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG kein Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum. Die Vergütungspauschale sei vom Gesetzgeber unabhängig vom konkreten Arbeitsaufwand bestimmt worden. Voraussetzung der Entstehung des Vergütungsanspruchs des Verfahrensbeistands sei lediglich, dass dieser über die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses hinaus irgendeine Tätigkeit in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG im Interesse des Kindes entfaltet habe.

II.

Rz. 6

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 7

1. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 15.9.2010 (XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896) entschieden, dass Voraussetzung für den Vergütungsantrag nicht der Abschluss des jeweiligen Rechtszugs ist. Der Anspruch entsteht vielmehr in dem Moment, in dem der Verfahrensbeistand mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG begonnen hat. Das bedeutet zwar, dass allein die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses für das Bestehen der Vergütungspauschale nicht ausreichend ist. Es genügt jedoch, dass der Verfahrensbeistand "in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist" (Senatsbeschluss v. 15.9.2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896 Rz. 30).

Rz. 8

Soweit sich die Rechtsbeschwerde demgegenüber darauf beruft, dass auch der Rechtsanwalt die Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 zum RVG erst dann verdient, wenn er den Termin wahrgenommen hat, verkennt sie, dass § 158 FamFG eine solche Terminsgebühr nicht vorsieht. Wie § 158 Abs. 4 FamFG zeigt, umfasst die Tätigkeit des Verfahrensbeistands eine Vielzahl von Einzeltätigkeiten, die sich auf das gesamte Verfahren erstrecken und je nach Sachlage unterschiedliche Gewichtungen erfahren. Von daher passt der Vergleich mit der Terminsgebühr gerade nicht zur Tätigkeit eines Verfahrensbeistands. Demgegenüber entsteht die - mit der Vergütung des Verfahrensbeistandes eher vergleichbare - Verfahrensgebühr, die der Rechtsanwalt "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" erhält (s. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 der Anlage 1 zum RVG), (ebenfalls) bereits dann, wenn der Rechtsanwalt von einer Partei zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat, also im Regelfall mit der Entgegennahme der ersten Information (Senatsbeschluss v. 15.9.2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896 Rz. 31).

Rz. 9

2. Danach hat das Beschwerdegericht der Rechtsbeschwerdegegnerin zu Recht eine Vergütung i.H.v. 550 EUR zugesprochen. Vorliegend ist die Rechtsbeschwerdegegnerin in dem Sorgerechtsentzugsverfahren für das minderjährige Kind mit dem erweiterten Aufgabenkreis des § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG bestellt worden. Sie hat nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts auch mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben begonnen. Indem sie wiederholt - freilich vergeblich - versucht hat, Kontakt mit der Kindesmutter aufzunehmen, ist sie auch "in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden".

Rz. 10

Dass eine solche Tätigkeit in dem Moment ihrer Aufnahme objektiv nicht mehr möglich bzw. erfolgversprechend war, ist entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers unerheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2627565

JurBüro 2011, 267

FamFR 2011, 131

HRA 2011, 3

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