Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 10. Februar 2000 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Beschwerdewert: 36.520,05 DM.

 

Gründe

Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts S. vom 16. November 1999 erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

Das Rechtsmittel ist begründet.

Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung nicht gewährt, weil die Beklagte nicht glaubhaft gemacht habe, daß die Berufungsfrist unverschuldet versäumt worden ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verspätung auf Mängel bei den organisatorischen Maßnahmen des Prozeßbevollmächtigten zur wirksamen Ausgangskontrolle für fristwahrende Schriftsätze zurückzuführen ist.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.

Das Berufungsgericht hat einen durchgreifenden, bereits im ursprünglichen Gesuch vorgetragenen und glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrund übersehen. Auf die nach seiner Meinung nicht ausreichend organisierte Ausgangskontrolle kommt es wegen einer konkreten Einzelanweisung nicht entscheidend an. Erteilt ein Prozeßbevollmächtigter unter Abweichung einer bestehenden Kanzleiorganisation einer zuverlässigen Kanzleikraft eine auf den konkreten Fall bezogene Einzelanweisung, bei deren Befolgung die einzuhaltende Frist gewahrt worden wäre, dann trifft ihn kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden, wenn seine Weisung versehentlich nicht befolgt wird und deshalb die Frist verstreicht (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98, NJW 1999, 429; 25. März 1998 - IV ZB 1/98, BGHR ZPO § 233 Einzelanweisung 2 und vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, VersR 1996, 348 jeweils m.w.N.).

So liegt es hier.

Die Beklagte hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, sie habe erst am letzten Tag der Berufungsfrist gegen 16 Uhr auf fernmündliche Nachfrage der Anwaltssekretärin Weisung erteilt, Berufung einzulegen. Die mit Fristsachen betraute, bis dahin stets zuverlässige Anwaltssekretärin habe sodann die Berufungsschrift gefertigt, von dem Rechtsanwalt unterschreiben lassen und versprochen, das Schriftstück mitzunehmen und nach Dienstschluß auf dem Weg nach Hause in den Nachtbriefkasten des Landgerichts einzuwerfen. Das habe sie dann vergessen. Die Berufungsschrift habe sie auf ihrem Schreibtisch liegen lassen und dort am nächsten Tag bei Dienstbeginn vorgefunden.

Mit der konkreten Einzelanweisung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an seine Sekretärin, den von ihr gefertigten Schriftsatz persönlich nach dem kurz bevorstehenden Dienstschluß in den Nachtbriefkasten einzuwerfen, war die Fristwahrung gewährleistet. Der Sekretärin war der Fristablauf an diesem Tag bekannt. Der Prozeßbevollmächtigte und demgemäß auch die Beklagte, § 85 Abs. 2 ZPO, haben nicht dafür einzustehen, daß die Sekretärin diese Anweisung versehentlich nicht ausgeführt hat.

 

Unterschriften

Ullmann, Thode, Kuffer, Kniffka, Wendt

 

Fundstellen

Haufe-Index 539037

VersR 2001, 214

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