Entscheidungsstichwort (Thema)

Netze für die allgemeine Versorgung als Stromlieferant anderer Elektrizitätsversorgungsunternehmen und von Letztverbrauchern. Geringste Herstellungskosten als „kürzeste Entfernung” § 3 EEG

 

Leitsatz (amtlich)

a) "Netze für die allgemeine Versorgung" i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 EEG sind nicht nur Stromnetze, die unmittelbar der Versorgung von Letztverbrauchern dienen, sondern auch solche Netze, die dazu bestimmt sind, andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom zu beliefern, die ihrerseits Netze für die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern betreiben.

b) Für die Anwendung des Begriffs der "kürzesten Entfernung" i. S. v. § 3 Abs. 1 S. 2 EEG kommt es nicht allein auf die räumlichen Gegebenheiten, sondern auch darauf an, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung zu erwarten sind.

 

Normenkette

Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (BGBl. I 2000, 305) § 2 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 17.05.2001)

LG Kempten (Urteil vom 27.07.2000)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 17.5.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Kempten (Allgäu) - Kammer für Handelssachen - v. 27.7.2000 auch zurückgewiesen hat, soweit darin die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, den von der Klägerin erzeugten und in die Übergabestation B. eingespeisten Strom für die Zeit ab dem 1.4.2000 nach dem Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien zu vergüten.

Im vorbezeichneten Umfang wird das Urteil des LG Kempten auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen. Die Kosten der Streithilfe sind zu 1/3 von der Beklagten und im Übrigen von der Streithelferin selbst zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt im Ammergebirge auf dem Gebiet der Gemeinde H. vier Wasserkraftwerke. Die Beklagte versorgt mit einem von ihr unterhaltenen Stromnetz in den Ortschaften der Gemeinde H. die Privathaushalte sowie gewerbliche Betriebe mit Strom. Die Streithelferin der Klägerin ist gleichfalls ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen; sie unterhält ein Versorgungsnetz für Letztverbraucher in der der Gemeinde H. benachbarten Gemeinde F. und Umgebung.

Der von der Klägerin erzeugte Strom wird seit etwa 30 Jahren in eine Übergabestation in der zur Gemeinde H. gehörenden Ortschaft B. eingespeist. Die Übergabestation wurde von der Streithelferin errichtet; die Klägerin und die Beklagte leisteten Baukostenzuschüsse und erhielten im Gegenzug das Recht, eigene Leitungen anzuschließen. Kernstück der Übergabestation ist eine sog. Sammelschiene, die im Eigentum der Streithelferin steht und die Strom aufnimmt und abgibt. Der von den Kraftwerken der Klägerin erzeugte Strom wird über ein 10-kV-Erdkabel der Übergabestation zugeführt und nach Transformierung auf eine Spannung von 20-kV in die Sammelschiene eingespeist. Der eingespeiste Strom wird von einer Messeinrichtung aufgezeichnet. Danach wird der Sammelschiene weiterer Strom zugeführt, der von der Streithelferin selbst geliefert wird. Dies erfolgt über ein 20-kV-Erdkabel, welches im Ortsteil Br. vom Versorgungsnetz der Streithelferin in F. abzweigt und von dort durch das Gebiet der Gemeinde H. zur Übergabestation führt. Auch der auf diesem Weg eingespeiste Strom wird an einer Messeinrichtung festgestellt. Anschließend entnimmt die Beklagte der Sammelschiene über sechs Leitungen den Strom, den sie für die Versorgung der Gemeinde H. benötigt. Danach erfolgt eine Messung des auf der Sammelschiene noch vorhandenen Stroms, der über eine 20-kV-Freileitung zum Versorgungsnetz der Streithelferin abgeführt wird.

Nach den von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen wurde in der Vergangenheit der von der Klägerin erzeugte Strom von der Streithelferin abgenommen und von dieser nach Bedarf an die Beklagte weiterverkauft. Grundlage für die Abnahme des Stroms durch die Streithelferin war zuletzt der Einspeisevertrag zwischen der Klägerin und ihrer Streithelferin v. 4./5.3.1996. Diesen Vertrag hoben die Vertragsparteien nach ordentlicher Kündigung durch die Streithelferin im Juni 1997 durch gerichtlichen Vergleich zum 31.7.1998 auf.

Die Klägerin verlangt mit der Klage, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, von dem 1.8.1998 an den von ihr erzeugten und in der Übergabestation B. eingespeisten Strom zum jew. gültigen Preis nach dem Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) und von dem 1.4.2000 an nach dem Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) zu bezahlen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Der Senat hat die Revision mit Beschl. v. 11.6.2003 insoweit zur Entscheidung angenommen, als die Beklagte sich gegen die Feststellung wendet, ab dem 1.4.2000 zur Vergütung des von der Klägerin eingespeisten Stroms nach dem EEG verpflichtet zu sein; im Übrigen hat der Senat die Revision nicht angenommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:

Die Beklagte sei von dem 1.4.2000 an aus §§ 2, 3 EEG zur Abnahme und Vergütung des von der Klägerin erzeugten Stroms verpflichtet. Nach dem EEG treffe diese Pflicht den Netzbetreiber, zu dessen für die Aufnahme geeignetem Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage bestehe. Die kürzeste Entfernung bestehe hier zum Netz der Beklagten und nicht zum Netz der Streithelferin. Das Netz der Beklagten, mit dem die Endverbraucher der Ortschaften der Gemeinde H. versorgt würden, liege zu den Kraftwerken der Klägerin räumlich näher als das Netz der Streithelferin, mit dem Letztverbraucher in der Gemeinde F. versorgt würden. Im Bereich der Übergabestation in B. betreibe die Streithelferin kein allgemeines Versorgungsnetz, weil sie dort nur die Beklagte, nicht aber Endabnehmer mit Strom beliefere. Von einem Netzbetreiber für die allgemeine Versorgung könne nicht gesprochen werden, wenn ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen lediglich ein anderes Elektrizitätsversorgungsunternehmen und nicht die Endabnehmer selbst mit Strom versorge.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte sei nach § 3 Abs. 1 des am 1.4.2000 an die Stelle des Stromeinspeisungsgesetzes getretenen Gesetzes über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG, BGBl. I 2000, 305) verpflichtet, den von der Klägerin erzeugten und in die Übergabestation B. eingespeisten Strom abzunehmen und zu vergüten. Diese Verpflichtung trifft nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt vielmehr die Streithelferin der Klägerin.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings von der Wirksamkeit der Regelung des § 3 Abs. 1 EEG ausgegangen. Gegen die den Elektrizitätsversorgungsunternehmen hierdurch auferlegte Pflicht, den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom abzunehmen und zu festgelegten Mindestpreisen zu vergüten, bestehen weder durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, noch verstößt diese Regelung gegen Vorschriften des EG-Vertrages (BGH v. 11.6.2003 - VIII ZR 160/02, MDR 2003, 1169 = BGHReport 2003, 981 unter B. I. 2. b und B. I. 3., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

2. Die Verpflichtung, den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom abzunehmen und zu vergüten, trifft nach § 3 Abs. 1 S. 2 EEG denjenigen Netzbetreiber, "zu dessen technisch für die Aufnahme geeignetem Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage [zur Erzeugung des Stroms] besteht." Das ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht die Beklagte. Netzbetreiberin des zum Standort der Anlagen der Klägerin nächstgelegenen Netzes und deshalb nach § 3 Abs. 1 EEG zur Abnahme und Vergütung des von der Klägerin erzeugten Stromes verpflichtet ist vielmehr die Streithelferin der Klägerin.

a) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Streithelferin der Klägerin sei nicht Netzbetreiberin i. S. v. § 3 Abs. 1 EEG, weil ihre im Bereich der Übergabestation B. gelegenen Leitungen kein Netz der allgemeinen Versorgung darstellten, da diese nur der Belieferung der Beklagten und nicht der direkten Versorgung von Endabnehmern dienten.

Netzbetreiber i. S. v. § 3 Abs. 1 EEG sind nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 S. 1 EEG Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die "Netze für die allgemeine Versorgung" betreiben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind "Netze für die allgemeine Versorgung" i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 EEG nicht nur Netze, die unmittelbar der Versorgung von Letztverbrauchern dienen. Vielmehr fallen darunter auch solche Netze, die - wie die von der Streithelferin im Bereich der Übergabestation B. betriebenen Leitungen - dazu bestimmt sind, andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom zu beliefern, die ihrerseits Netze für die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern betreiben.

aa) Der Begriff des Netzbetreibers in § 2 Abs. 1 S. 1 EEG knüpft nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/2776, 21 zu § 2 Abs. 1) an die Begriffsbestimmungen des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG, BGBl. I 1998, 730) an.

Nach § 2 Abs. 3 EnWG sind Energieversorgungsunternehmen alle Unternehmen oder Betriebe, die andere mit Energie versorgen oder ein Netz für die allgemeine Versorgung betreiben. Das Merkmal der "allgemeinen Versorgung" i. S. d. zweiten Alt. dieser Bestimmung bezeichnet Netze, die dem Bezug von Energie durch andere dienen, und schließt lediglich solche Netze aus, die ausschließlich zur eigenen Versorgung des Netzbetreibers (Eigenanlagen) vorgesehen sind (Büdenbender, EnWG, § 2 Rz. 36; Danner in Obernolte/Danner, Energiewirtschaftsrecht, § 2 EnWG Rz. 33 f.). Legt man dieses Verständnis einer allgemeinen Versorgung zu Grunde, so ist das in der Übergabestation B. betriebene Leitungssystem der Streithelferin schon deshalb ein Netz zur allgemeinen Versorgung, weil es zur Belieferung eines anderen, der Beklagten, mit Strom bestimmt ist.

Etwas Anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall aber auch dann nicht, wenn man den Begriff der allgemeinen Versorgung in § 2 Abs. 1 S. 1 EEG nicht i. S. v. § 2 Abs. 3 EnWG, sondern in der engeren Bedeutung des Begriffs in § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG versteht. Die dort angesprochene Durchführung einer "allgemeinen Versorgung" von Letztverbrauchern setzt über die bloße Versorgung anderer weiter voraus, dass sich das Energieversorgungsunternehmen öffentlich, auch konkludent, zur Versorgung jedes in dem Gemeindegebiet ansässigen Energieverbrauchers bereit erklärt hat und rechtlich dazu in der Lage ist (Büdenbender, EnWG, § 10 Rz. 35; Hempel in Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 10 EnWG Rz. 103; Danner in Obernolte/Danner, Energiewirtschaftsrecht, § 10 EnWG Rz. 7). Im Anschluss an dieses engere Begriffsverständnis werden unter Netzen "für die allgemeine Versorgung" i. S. v. § 2 Abs. 1 EEG solche Netze verstanden, die Teil eines (Gesamt-)Leitungssystems sind, an das wegen des Kontrahierungszwanges des § 10 Abs. 1 EnWG grundsätzlich jedermann angeschlossen werden muss (Salje, EEG, § 2 Rz. 18-21, insbes. 19; Brandt/Reshöft/Steiner, Hk-EEG, § 2 Rz. 24). Hierunter fallen auch Übertragungsnetze, die der Belieferung anderer Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom dienen, die ihrerseits eine "allgemeine Versorgung" von Letztverbrauchern i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG durchführen (Salje, EEG, § 2 Rz. 21). Auch danach stellt das von der Streithelferin der Klägerin im Bereich der Übergabestation betriebene Netz ein solches zur "allgemeinen Versorgung" i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 EEG dar. Denn die über dieses Netz belieferte Beklagte führt die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG in der Gemeinde H. durch.

bb) Für dieses Verständnis von § 2 Abs. 1 S. 1 EEG zumindest im letztgenannten Sinne sprechen auch die Gesetzgebungsmaterialien. Zwar enthielt der ursprüngliche Gesetzentwurf des EEG in § 2 Abs. 1 S. 3 die ausdrückliche Regelung, dass Netze i. S. v. S. 1 auch solche seien, "an die Letztverbraucher nicht unmittelbar angeschlossen sind" (BT-Drucks. 14/2341, 3). Aus dem Wegfall dieser Bestimmung im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kann aber nicht auf den Willen zu einer sachlichen Änderung geschlossen werden (vgl. auch Salje, EEG, § 3 Rz. 11; Brandt/Reshöft/Steiner, Hk-EEG, § 3 Rz. 16). In der Begründung zu dem vom Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfohlenen und auch Gesetz gewordenen § 11 EEG wird nämlich ausgeführt, dass das nächstgelegene Netz i. S. v. § 3 Abs. 1 EEG in aller Regel ein örtliches Niederspannungsnetz sein werde. Es könne aber - etwa bei einem großen Windpark - auch ein Netz einer höheren Spannungsebene, unter Umständen sogar ein Übertragungsnetz sein (BT-Drucks. 14/2776, 24). Im Fall des Anschlusses an ein Übertragungsnetz, so heißt es in der Begründung weiter, erübrige sich, da kein weiteres vorgelagertes Übertragungsnetz existiere, die in § 3 Abs. 2 EEG vorgesehene Abnahme und Vergütung durch den vorgelagerten Netzbetreiber (BT-Drucks. 14/2776, 24). Da der empfehlende Ausschuss hier allgemein und ohne Einschränkung auch einen Anschluss an vorgelagerte Übertragungsnetze für möglich gehalten hat, kann angenommen werden, dass er auch die Betreiber der Übertragungsnetze, die Teil der allgemeinen Versorgung i. S. v. § 10 Abs. 1 EnWG sind, als Netzbetreiber i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 EEG angesehen hat.

cc) Die sich aus der vorgenannten Auslegung von § 2 Abs. 1 S. 1 und § 3 Abs. 1 EEG ergebende Folge, dass auch Betreiber von Netzen, die lediglich andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom beliefern, die ihrerseits Letztverbraucher versorgen, der Anschluss-, Abnahme- und Vergütungspflicht nach § 3 Abs. 1 EEG unterliegen, steht im Einklang mit der Förderungskonzeption des EEG, die sich hinsichtlich der Verteilung der mit der Abnahmepflicht verbundenen Belastungen von der des früheren Stromeinspeisungsgesetzes (BGBl. I 1990, 2633, zuletzt geändert durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes v. 24.4.1998, BGBl. I 1998, 730 [734]) unterscheidet. Nach dem Stromeinspeisungsgesetz waren zur Abnahme und Vergütung nur diejenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, die ein Versorgungsgebiet zur allgemeinen Versorgung i. S. v. § 6 Abs. 1 EnWG a. F. hatten; allein diese Unternehmen trafen, von der Härteklausel des § 4 StrEG abgesehen, die sich aus der höheren Vergütung ergebenden Mehrbelastungen (vgl. BGH v. 22.10.1996 - KZR 19/95, BGHZ 134, 1 [12 f. und 20 ff.]).

Demgegenüber sieht das EEG in § 11 eine bundesweite Ausgleichsregelung vor, die die wirtschaftliche Belastung zunächst vollständig auf die vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber verlagert (§ 3 Abs. 2, § 11 Abs. 1-3 EEG) und in einer zweiten Stufe die Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Strom an Letztverbraucher liefern, nach § 11 Abs. 4 EEG dazu verpflichtet, den auf den für sie regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber nach § 11 Abs. 2 EEG entfallenden Strom anteilig abzunehmen und zu vergüten. Den Letztverbraucher beliefernden Unternehmen steht es dann frei, die mit der erhöhten Vergütung verbundenen Mehrkosten auf die Verbraucher abzuwälzen (vgl. dazu BGH v. 11.6.2003 - VIII ZR 160/02, MDR 2003, 1169 = BGHReport 2003, 981 unter B. I. 2. b aa). Ist damit aber durch die Ausgleichsregelung nach § 11 EEG sichergestellt, dass die sich aus der erhöhten Vergütung ergebende Mehrbelastung im Ergebnis nur von denjenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu tragen ist, die Letztverbraucher beliefern, kann die primäre Abnahme- und Vergütungspflicht nach § 3 Abs. 1 EEG auch solchen Unternehmen auferlegt werden, die ausschließlich Übertragungsnetze betreiben und deshalb Mehrkosten nicht unmittelbar an Endverbraucher weitergeben können.

b) Das von der Streithelferin in der Übergabestation in B. betriebene Netz ist das Netz, das zu den Anlagen der Klägerin die kürzeste Entfernung i. S. v. § 3 Abs. 1 S. 2 EEG aufweist.

Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung (RE 14), davon könne deshalb nicht ausgegangen werden, weil zwischen den Parteien im Prozess unstreitig gewesen sei, dass das Versorgungsnetz der Beklagten in der Ortschaft Bu. zu den Kraftwerken der Klägerin räumlich näher liege als die Übergabestation der Streithelferin in B. Selbst wenn man nämlich unterstellt, dass nicht nur die Luftlinienentfernung, sondern auch der Weg für eine noch zu verlegende, ordnungsgemäße Leitungsverbindung von den Anlagen der Klägerin zum Versorgungsnetz nach Bu. kürzer wäre als zur Übergabestation in B., wofür auch die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Gebietskarte sprechen mag, folgt daraus nicht, dass das Versorgungsnetz der Beklagten in Bu. zu den Anlagen der Klägerin die "kürzeste Entfernung" i. S. v. § 3 Abs. 1 S. 2 EEG aufweist.

Für die Anwendung des Begriffs der "kürzesten Entfernung" i. S. v. § 3 Abs. 1 S. 2 EEG kommt es nicht allein auf die räumlichen Gegebenheiten an. Der Gesetzgeber hat die Anschluss- und Abnahmepflicht dem Betreiber des nächstgelegenen geeigneten Netzes im Hinblick auf die volkswirtschaftlich geringeren Kosten auferlegt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie, BT-Drucks. 14/2776, 22 zu § 3 Abs. 1 und 24 zu § 10 Abs. 1). Die kürzeste Entfernung als Kriterium für die Festlegung des Netzes, an das bei mehreren in Betracht kommenden geeigneten Netzen anzuschließen ist, hat seinen Grund darin, dass der Gesamtaufwand für die Einspeisung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms minimiert werden soll (Salje, EEG, § 3 Rz. 17). Für die nähere Bestimmung, welches Netz und welcher Verknüpfungspunkt bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten zu den Anlagen des Energieerzeugers die "kürzeste Entfernung" aufweist, kommt es deshalb auch darauf an, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung (etwa Netzverstärkung, Stromtransportverluste) zu erwarten sind (Salje, EEG, § 3 Rz. 18; Schneider in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, § 18 Rz. 98; ähnlich: Brandt/Reshöft/Steiner, Hk-EEG, § 3 Rz. 17 f.).

Danach besteht hier zu dem von der Streithelferin in der Übergabestation B. betriebenen Netz eine "kürzere Entfernung" als zu dem Versorgungsnetz der Beklagten in der Ortschaft Bu. . Denn die Anschlussverbindung zum Netz der Streithelferin in der Übergabestation besteht bereits und wird von der Klägerin zur Einspeisung ihres Stromes genutzt. Bei einer Abnahme des Stroms durch die Streithelferin entstehen deshalb weder Anschluss- noch Netzausbaukosten, während für einen Anschluss in Bu. zumindest Anschlusskosten aufzuwenden wären. Dass die Durchführung der Einspeisung in die Übergabestation B. langfristig höhere Kosten, etwa durch Transportverluste, verursacht als in Bu., ist nicht vorgetragen worden und kann angesichts dessen, dass der Entfernungsunterschied zwischen beiden Anschlusspunkten nach der im Tatbestand des Berufungsurteils einbezogenen Gebietskarte nur wenige Kilometer beträgt, ausgeschlossen werden.

Ob die Klägerin sich trotz höherer Gesamtkosten ausnahmsweise auf die geringere räumliche Entfernung zum Versorgungsnetz der Beklagten in Bu. berufen könnte, wenn für eine Einspeisung des Stromes dort ausschließlich nach § 10 Abs. 1 EEG von ihr zu tragende Anschlusskosten entstünden, kann dahingestellt bleiben. Denn dies würde voraussetzen, dass die Klägerin beabsichtigen würde, ihre Erzeugungsanlage tatsächlich in Bu. an das Netz der Beklagten anzuschließen. Die Parteien sind aber in den Tatsacheninstanzen davon ausgegangen, dass die bisher praktizierte Einspeisung über die Sammelschiene in der Übergabestation B. beibehalten werden soll. Dies ergibt sich schon aus dem Klageantrag, wonach die Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung des von der Klägerin "in die Übergabestation" eingespeisten Stromes festgestellt werden soll. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Klägerin den Strom weiterhin in der Übergabestation B. einspeisen will und nicht die Herstellung eines Anschlusses an das Versorgungsnetz der Beklagten in Bu. anstrebt.

III.

Das Berufungsurteil ist demgemäß insoweit aufzuheben, als es die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil auch hinsichtlich der Feststellung zurückweist, dass die Beklagte nach dem 1.4.2000 zur Vergütung des von der Klägerin erzeugten Stroms nach dem EEG verpflichtet ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, weil der geltend gemachte Anspruch nach dem festgestellten Sachverhalt aus Rechtsgründen nicht besteht, zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist dementsprechend abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1064819

NJW 2004, 855

BGHR 2004, 74

NVwZ 2004, 251

WM 2004, 742

RdE 2004, 46

ZNER 2003, 331

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