Verfahrensgang

LG Potsdam (Beschluss vom 13.09.2006; Aktenzeichen 10 O 210/03)

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Potsdam vom 13.9.2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Sachverständige H.W. ist mit Schreiben des LG Potsdam vom 29.7.2004 (Bl. 310a d.A.) beauftragt worden, ein Gutachten über die im Beweisbeschluss vom 27.5.2004 (Bl. 303 f. d.A.) genannten Fragen zu erstellen.

Der Sachverständige stellte u.a. für eine Kopie seines 91 Seiten umfassenden Gutachtens einschließlich 28 Farbfotoabzüge für die Handakte 32,43 EUR brutto in Rechnung. Deren Festsetzung wurde von der Kostenbeamtin mit der Begründung abgelehnt, dass gem. § 7 JVEG eine Erstattung der Kopierkosten einer Handakte nicht mehr möglich sei.

Auf Antrag des Sachverständigen hat das LG Potsdam durch Beschluss vom 13.9.2006 (Bl. 442 d.A.) eine weitere Vergütung i.H.v. 32,43 EUR festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Gegen diese Festsetzung richtet sich die Beschwerde der Staatskasse vom 4.10.2006 (Bl. 451 d.A.), welcher die Einzelrichterin durch Beschluss vom 10.10.2006 nicht abgeholfen hat.

II. Die Beschwerde ist wegen ihrer Zulassung durch die Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Potsdam zulässig (§ 4 Abs. 3 JVEG). Die nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG zuständige Einzelrichterin des OLG hat die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat übertragen (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Sachverständige hat einen Anspruch auf Erstattung der Kopierkosten i.H.v. 32,43 EUR, die für die Fertigung einer Kopie seines Gutachtens für seine Handakte angefallen sind.

Da der Gutachtenauftrag nach Inkrafttreten des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (1.7.2004) erteilt wurde, unterliegt er dem neuen Kosten- und Entschädigungsrecht (§ 25 JVEG).

Ein Sachverständiger hat neben seinem Anspruch auf ein Honorar für seine Leistung (§ 9 ff. JVEG) einen Anspruch auf Ersatz für sonstige (§ 7 JVEG) und besondere (§ 12 JVEG) Aufwendungen. Die für die Handakte des Sachverständigen von diesem gefertigte Ablichtung seines Gutachtens stellt eine gem. § 7 Abs. 2 JVEG ersatzfähige sonstige Aufwendung dar.

Im Gegensatz zu dem bis zum 30.6.2004 geltenden § 11 Abs. 2 ZSEG findet sich im JVEG zwar keine ausdrückliche Regelung des Ersatzes der Aufwendungen für eine Kopie des Gutachtens für die Handakten des Sachverständigen. Deren Ersatz wird im JVEG jedoch auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 und 3 JVEG eine Pauschale für die Erstattung von Kopierkosten gewährt, wenn der Sachverständige Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten fertigt, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Vorbereitung oder Bearbeitung der Angelegenheit geboten war. Da das Original des Gutachtens Bestandteil der Gerichtsakte wird, ist die Herstellung einer Kopie für den Sachverständigen jedenfalls dann geboten, wenn mit einer späteren Ladung zu einer Verhandlung zwecks Erläuterung des Gutachtens zu rechnen ist. Denn der Sachverständige ist in solchen Fällen verpflichtet, sich auf die Verhandlung vorzubereiten, um zu einer möglichst effektiven Durchführung der Verhandlung beizutragen (OLG Stuttgart, v. 12.9.2005, 1 Ws 211/05, zitiert nach juris, Rz. 8; OLG Düsseldorf, v. 3.1.2006, III-3 Ws 493/05; zitiert nach Luchterhand Volltext, s. JurBüro 2006, 324.; LG Itzehoe, v. 24.1.2006 - 3 O 554/03, zitiert nach juris, Rz. 14; Der Sachverständige 2005, S. 279; Hartmann, Kostengesetzte, 36 A., § 7 JVEG, Rz. 17; Kamphausen, Praxiskommentar JVEG, Rz. 2.7.3.2.3).

Die Herstellung einer Kopie für die Handakte ist darüber hinaus aber auch dann für die sachgemäße Bearbeitung der Angelegenheit geboten, wenn noch nicht abzusehen ist, ob mit einer späteren Ladung gerechnet werden muss. Der Beschleunigungsgrundsatz der Zivilprozessordnung gilt auch im Rahmen der Beweiserhebung durch Sachverständige (vgl. Greger, 26. Aufl., § 411 ZPO, Rz. 6). Der unter dem Gesichtspunkt einer zeitsparenden Bearbeitung der Angelegenheit günstigste Zeitpunkt zur Erstellung der Kopie ist der Moment unmittelbar nach Fertigstellung und vor Versendung des Gutachtens an das Gericht.

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gutachtens ist für den Sachverständigen jedoch noch nicht absehbar, ob es zu einer Erläuterung des Gutachtens durch ihn kommen wird, zumal dies nicht allein von dem ihm bekannten Inhalt des Gutachtens abhängt. Denn unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO ist das Gericht auf Antrag einer Partei gem. §§ 402 i.V.m. 397 ZPO zur Vorladung des Sachverständigen verpflichtet (BGH v. 22.5.2001 - VI ZR 268/00, MDR 2001, 1130 = BGHReport 2001, 660 = NJW-RR 2001, 1431). Wartet der Sachverständige mit der Fertigung der Kopie ab, bis absehbar ist, ob das Gericht die Erläuterung des Gutachtens anordnet, hätte dies zur Folge, dass der Sachverständige das Gericht zunächst um Rücksendung des Gutachtenoriginals bitten müsste, um sich hiervon eine Kopie ziehen zu können. Dies entspräche jedoch nicht der gem. § 7 Abs. 2 ...

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