Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.04.2022; Aktenzeichen BLw 5/20)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin - Landwirtschaftsgericht - vom 2. Juli 2019 der Bescheid des Beteiligten zu 3 vom 27. September 2017 insoweit aufgehoben, als dort die Rücknahme der Grundstücksverkehrsgenehmigungen vom 22. Juni 2015 und vom 30. Juli 2015, die Rücknahme der fingierten Grundstücksverkehrsgenehmigung nach § 6 Abs. 2 GrdstVG sowie die Rücknahme der gemäß § 7 Abs. 3 fingierten Grundstücksverkehrsgenehmigung betreffend den zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 in der notariellen Urkunde des Notars Dr. A... P... in H... vom 29. Juni 2015 (Urkundenrolle Nr. 1557/2015) beurkundete Kaufvertrag betroffen ist.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen (gerichtliche und außergerichtliche) hat der Beteiligte zu 3 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 380.378,31 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 wenden sich im vorliegenden Verfahren gegen den Bescheid des Beteiligten zu 3 vom 27. September 2017, mit dem dieser teilweise u. a. bezogen auf den zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 in der notariellen Urkunde vom 29. Juni 2015 geschlossenen Kaufvertrag über landwirtschaftliche Flächen die erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigungen vom 22. Juni 2015 - Genehmigung des Vertragsentwurfs - und vom 30. Juli 2015 - Genehmigung des beurkundeten Vertrages - sowie mögliche fiktive Genehmigungen zurückgenommen hat. Die Beteiligte zu 2 ist im Februar 2016 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf I. der Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

1. Das Landwirtschaftsgericht hat mit Beschluss vom 2. Juli 2019 den Antrag auf Aufhebung des Rücknahmebescheids zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, seine Zuständigkeit sei sowohl sachlich als auch örtlich gegeben. Der Landkreis ..., der Beteiligte zu 3, habe die erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigungen wirksam zurückgenommen. Nach § 1 VwVfGBbg i. V. m. § 48 Abs. 1, 3, 4 VwVfG könne die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt grundsätzlich auch nach Eintritt der Gestaltungswirkung noch zurückgenommen werden. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1978, 338) sei davon auszugehen, dass Verwaltungsakte mit privatrechtsgestaltender Wirkung keinem generellen und absoluten Rücknahmeverbot unterlägen. Die Rücknahme sei vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn dadurch in den Rechtskreis konkreter Dritter benachteiligend eingegriffen werde, deren Interessen nach dem Gebot des Vertrauensschutzes schutzwürdig seien. Die erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigungen seien rechtswidrig. Im Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung habe ein Versagungsgrund im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GrdstVG vorgelegen. Von einer ungesunden Bodenverteilung sei auszugehen, wenn landwirtschaftliche Flächen an einen Nichtlandwirt veräußert werden sollen, obwohl ein leistungsfähiger und aufstockungsbedürftiger Landwirt zum Erwerb dieser Flächen bereit und in der Lage sei. Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden auch bezeichnet als: (1) Landbau GmbH oder Erwerberin) sei zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung kein Landwirt im grundstücksverkehrsrechtlichen Sinn gewesen. Wenn Flächen erworben würden, um sie anschließend zu verpachten, handele es sich um eine Kapitalanlage und nicht um einen Erwerb zum Zweck der Landwirtschaft. Etwas anderes könne unter bestimmten Voraussetzungen nur für den Fall des Grundstückserwerbs durch eine Besitzgesellschaft für eine Landwirtschaft betreibende Betriebsgesellschaft gelten. Diese Auffassung verstoße nicht unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit gegen Unionsrecht. Die (1) Landbau GmbH sei nicht als eine solche Besitzgesellschaft einem Landwirt gleichgestellt gewesen. Dafür müsse die Nutzung der Flächen durch die Betriebsgesellschaft innerhalb eines von denselben Personen beherrschten Unternehmensverbundes sichergestellt sein, was eine sachliche und personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft und den einheitlichen Willen der hinter den Unternehmen stehenden Personen voraussetze, Landwirtschaft zu betreiben. Zumindest in Form einer Mehrheitsbeteiligung müsse die Betriebsgesellschaft an der Besitzgesellschaft beteiligt sein. Die Beteiligten zu 1 und 2 machten schon nicht geltend, dass diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erfüllt gewesen seien. Die (1) Landbau GmbH habe zudem deswegen nicht als Besitzgesellschaft in diesem Sinne angesehen werden können, weil alsbald nach Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigungen 94,9 % ihrer Geschäftsanteile an die (2) GmbH veräußert worden seien. Bei letzterer handele es sich um eine reine Kapitalanlagegesellschaft, die nicht Landwirtschaft betreibe und nicht zum Konzernverbund der (3) Agrar SE gehöre.

Für die sechs von der Rü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge