Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Aktenzeichen 3 L 207/99)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 129,66 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist durch die in dem angefochtenen Beschluss zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs bereits geklärt und bedarf keiner weiteren Klärung in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren. Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung weicht der angefochtene Beschluss auch nicht ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Mit dem Vorbringen zur vermeintlichen grundsätzlichen verfahrensrechtlichen Bedeutung rügt die Beschwerde allerdings zugleich einen Verfahrensmangel. Denn sie macht sinngemäß geltend, das Berufungsgericht habe der Klägerin verfahrensfehlerhaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und ihre Berufung deshalb zu Unrecht als unzulässig verworfen. Auch diese Verfahrensrüge greift jedoch nicht durch. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgelehnt.

Der Prüfung der Wiedereinsetzungsgründe sind nur der Tatsachenvortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin vom 22. März 2000 und ihr weiterer innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO) eingegangener Schriftsatz vom 30. März 2000 zugrunde zu legen. Denn sämtliche Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumnis gekommen ist, müssen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist dargelegt werden (ebenso: BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1996 – XII ZB 152/96 – GI 1997, 164 ≪165≫ m.w.N.; stRspr). Erforderlich ist eine rechtzeitige substantiierte und schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen (vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 29. Januar 1999 – BVerwG 1 B 4.99 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 221 S. 1). Weitere Wiedereinsetzungsgründe in tatsächlicher Hinsicht können nach Ablauf der Zweiwochenfrist – abgesehen von bloßen Ergänzungen und Erläuterungen – nicht mehr vorgetragen werden; nachgeholt werden kann im Verfahren gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur die Glaubhaftmachung (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 21. Oktober 1975 – BVerwG VI C 170.73 – BVerwGE 49, 252 ≪254≫; Beschlüsse vom 3. Februar 1993 – BVerwG 6 B 4.93 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 183 S. 56 und vom 16. Februar 1999 – BVerwG 8 B 10.99 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 222 S. 4; BGH, Beschlüsse vom 1. Juli 1992 – IV ZB 13/90 – RuS 1993, 238 f. m.w.N. und vom 10. Februar 1994 – VII ZB 25/93 – VersR 1994, 1368 f. m.w.N.).

Die Klägerin hat mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch und mit dem Schriftsatz vom 30. März 2000 vorgetragen: Der ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. Februar 2000 zugestellte Berufungszulassungsbeschluss sei im Anwaltsbüro durch den Buchhalter bearbeitet worden. Der sehr erfahrene, gewissenhafte und zuverlässige langjährige Mitarbeiter habe es übersehen, entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Berufungszulassungsbeschlusses die Monatsfrist für die Berufungsbegründung und eine Vorlaufsfrist zu notieren. Nachdem die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 31. März 2000 während der Urlaubsabwesenheit des Prozessbevollmächtigten am 8. März 2000 eingegangen sei, habe der Buchhalter den Verhandlungstermin notiert und die Akte mit Wichtig- und Eilvermerk dem Prozessbevollmächtigten zur vorzeitigen Bearbeitung vorgelegt. Da dieser nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 19. März 2000 erstmalig am 20. März 2000 seinen Bürodienst angetreten habe, sei die Frist zur Berufungsbegründung bereits abgelaufen gewesen. Dem Rechtsanwalt, der den Prozessbevollmächtigten vertreten habe, sei der Vorgang nicht vorgelegt worden, weil keine Frist notiert gewesen sei.

Diese innerhalb der Antragsfrist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO) vorgetragenen tatsächlichen Umstände belegen nicht, dass die Klägerin unverschuldet gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass den Anwalt für den Fall seiner Urlaubsabwesenheit eine gesteigerte Sorgfaltspflicht trifft. Läuft eine Frist vor dem Urlaubsende oder so knapp nach diesem Zeitpunkt ab, dass er die fristwahrende Prozesshandlung selbst nicht rechtzeitig vornehmen kann, so hat er vor Antritt des Urlaubs sicherzustellen, dass die Frist eingehalten werden kann (vgl. Beschluss vom 22. März 1995 – BVerwG 5 B 10.95 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 195 S. 10 m.w.N.). Der erhöhten Gefahr einer Fristversäumnis während seines Urlaubs muss er organisatorisch durch besondere Weisungen an sein Büropersonal, gegebenenfalls durch persönliche Absprachen mit seinem Vertreter begegnen (vgl. Beschluss vom 9. Januar 1995 – BVerwG 11 C 24.94 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 193 S. 6; BGH, Beschluss vom 28. Januar 1993 – III ZB 31/92 – VersR 1993, 1548 m.w.N.).

Der Berufungszulassungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des von ihm selbst unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 14. Februar 2000 zugestellt. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste er erkennen, dass die Berufungsbegründungsfrist während seines bevorstehenden Urlaubs endete. Den nahe liegenden und offensichtlich Erfolg versprechenden Antrag, diese Frist wegen des Urlaubs angemessen zu verlängern, stellte er nicht. Zu der Frage, ob und in welcher Weise der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seiner Sorgfaltspflicht genügt hat, die Wahrung der Frist durch seine anwaltliche Urlaubsvertretung in der gebotenen Weise sicherzustellen, enthält das Wiedereinsetzungsvorbringen keinerlei Angaben. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs wurde die Handakte sogar nach der am 8. März 2000 erfolgten Zustellung der Ladung zu der bereits auf den 31. März 2000 anberaumten mündlichen Verhandlung ungeachtet der offensichtlichen Eilbedürftigkeit anwaltlicher Bearbeitung nicht der anwaltlichen Urlaubsvertretung, sondern nach Notierung des Verhandlungstermins mit „Wichtig- und Eilvermerk” dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin selbst erst nach der Rückkehr aus dem Urlaub am 20. März 2000 und damit nach Fristablauf „zur vorzeitigen Bearbeitung” vorgelegt. Das deutet darauf hin, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin keine Vorkehrungen getroffen hat, um die notwendige anwaltliche Bearbeitung von Fristensachen und eiligen Vorgängen während seines Urlaubs zu gewährleisten. Die Vorlage der Handakten an die anwaltliche Urlaubsvertretung hätte bei normalem Lauf der Dinge zur rechtzeitigen Berufungsbegründung oder zum Antrag auf Fristverlängerung geführt.

Ein dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Last fallender Organisationsmangel, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbietet, kann danach nicht ausgeschlossen werden. Dies muss die Klägerin sich gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis besteht (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 26. September 1991 – I ZB 12/91 – NJW 1992, 574 ≪575≫ und vom 18. Oktober 1995 – I ZB 1/95 – NJW 1996, 319 m.w.N.).

Die aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs kann die Klägerin nicht mehr schließen. Ihre Rüge, das Berufungsgericht habe seine Hinweispflicht verletzt und unter Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör eine Überraschungsentscheidung getroffen, geht fehl. Auf ihr am 27. März 2000 eingegangenes unschlüssig begründetes Wiedereinsetzungsgesuch hat das Berufungsgericht der Klägerin mit Verfügung vom selben Tage mitgeteilt, es halte die Berufung für unzulässig und gebe ihr bis zum 5. April 2000 Gelegenheit zur Stellungnahme. Ein weiterer Hinweis war nicht veranlasst. Es oblag der anwaltlich vertretenen Klägerin, innerhalb der Antragsfrist sämtliche für die Wiedereinsetzung bedeutsamen tatsächlichen Umstände vorzutragen. Nur ihr Prozessbevollmächtigter war dazu auch in der Lage.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 13 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele

 

Fundstellen

Dokument-Index HI557228

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