Verfahrensgang

VG Weimar (Aktenzeichen 1 K 1662/98.We)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 1. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO benannten Gründe für die Zulassung der Revision liegt nach der Darlegung der Beschwerde vor.

1. Die eingangs geltend gemachten Verfahrensfehler eröffnen das Revisionsverfahren nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Beschwerde erschöpft sich insofern weitgehend darin, der gerichtlichen Würdigung des Sachverhalts eine eigene entgegenzuhalten. Sie erweist sich damit als materiellrechtlicher Angriff auf das angefochtene Urteil. Wertungswidersprüche, die bei der Anwendung des materiellen Rechts unterlaufen sein sollten, sind dem materiellen Recht zuzuordnen und können daher nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

Der auf die Verletzung rechtlichen Gehörs zielende Vorwurf, entscheidungserheblicher Vortrag sei unberücksichtigt geblieben, greift nicht durch. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (Beschluss vom 9. März 1988 – BVerwG 7 B 188.87 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 81 S. 21 ≪22≫). Im Gegensatz zur Behauptung der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht auf die politischen Aktivitäten von Herrn K. W. eingegangen (UA S. 10). Es ist nur dem Vorbringen in der Sache nicht gefolgt. Doch einen derartigen Anspruch vermittelt das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.

Unbegründet ist auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe es fehlerhaft unterlassen, Akten des Bundesbeauftragten für den Staatssicherheitsdienst beizuziehen. Einen entsprechenden Beweisantrag gemäß § 86 Abs. 2 VwGO hat der Kläger nicht gestellt, und von Amts wegen musste sich eine Durchsicht solcher Urkunden nicht aufdrängen. Der Vortrag des Klägers zu diesem Punkt ist in seiner Aussagekraft unbestimmt und zielte nicht auf konkrete Urkunden als individuelle Beweismittel ab. Es werden auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür benannt, dass das Ministerium für Staatssicherheit Einfluss auf die von privater Seite veranlasste Erbauseinandersetzung genommen hätte. Behauptungen, die „ins Blaue hinein” erhoben werden, muss das Gericht nicht nachgehen (Beschluss vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10).

2. Der Rechtssache kommt der ihr von der Beschwerde beigegebene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Die Beschwerde möchte zwar die Auslegung und Anwendung von § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG einer weiteren Klärung zuführen, lässt dabei aber außer Betracht, dass hierzu eine umfangreiche Rechtsprechung vorliegt, anhand derer der vorliegende Fall eine zusätzliche Orientierungshilfe nicht notwendig macht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sieht die fragliche Vorschrift die Veräußerung eines Vermögenswertes durch den staatlichen Verwalter deswegen als eine zur Restitution führende Schädigungsmaßnahme an, weil durch eine solche Veräußerung das mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung begonnene Unrecht fortgesetzt und vertieft wurde, und zwar dergestalt, dass über den bisherigen Entzug der Verfügungs-, Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse des Eigentümers hinaus auch das Eigentum an den Vermögenswert selbst entzogen wurde (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 349 ≪351≫ m.w.N.). In Anbetracht dieses Regelungshintergrundes ist der in § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG verwendete Begriff der Veräußerung einschränkend auszulegen. Es setzt – insoweit mit den übrigen in § 1 Abs. 1 VermG umschriebenen Schädigungsmaßnahmen vergleichbar – ein eigenständiges Handeln des staatlichen Verwalters voraus, das auf den Entzug des Eigentums an dem Vermögenswert gerichtet gewesen war. Der staatliche Verwalter muss sich gewissermaßen des Eigentums bemächtigt haben, um es an einen Dritten zu übertragen (Urteil vom 26. Juni 1997, a.a.O.; Beschluss vom 4. August 2000 – BVerwG 7 B 43.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 10 S. 22 ≪25≫; Beschluss vom 9. August 2000 – BVerwG 8 B 110.00 – S. 3 des amtlichen Abdrucks). Deshalb ist das Fehlen von Verwalterunrecht zunächst für den Fall entschieden worden, dass der staatliche Verwalter eines Erbanteils an einer von der Erbengemeinschaft zum Zwecke der Erbauseinandersetzung vorgenommenen Veräußerung eines Nachlassgrundstücks nur mitwirkte, ohne das Geschäft selbst zu betreiben. Denn in diesen Fällen beruhte die Veräußerung auf der prinzipiellen rechtlichen Unbeständigkeit der Erbengemeinschaft (vgl. § 2042 Abs. 1 BGB, § 423 Abs. 1 ZGB-DDR) und dem entsprechenden Willen der Miterben, sich hinsichtlich des Grundstücks durch dessen Veräußerung und die nachfolgende Aufteilung des Veräußerungserlöses auseinander zu setzen. Sie kann daher weder insgesamt noch teilweise dem staatlichen Verwalter als eigene (Unrechts-)Handlung zugerechnet werden (Urteil vom 24. Oktober 1996 – BVerwG 7 C 14.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 93 S. 284 ≪285≫). Auch die Veräußerung eines gemeinschaftlichen Gegenstandes durch eine Bruchteilsgemeinschaft, an der der staatliche Verwalter als Treuhänder eines Eigentumsanteils beteiligt war, ist dem staatlichen Verwalter nicht als eigenes Unrecht zugerechnet worden, wenn er das Geschäft nicht selber betrieben hat. Denn nach § 749 Abs. 1 BGB hat jeder Teilnehmer grundsätzlich das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft jederzeit zu verlangen (Urteil vom 28. April 1998 – BVerwG 7 C 3.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 150 S. 457 ≪458≫). An einer eigenen Unrechtshandlung im dargelegten Sinne fehlt es ferner, wenn der staatliche Verwalter das Grundstück veräußert hat, um einer drohenden Enteignung nach DDR-Bestimmungen zuvorzukommen. Denn auch unter diesen Umständen stellt sich die Veräußerung des Grundstücks durch den staatlichen Verwalter als ein Vermögensverlust dar, der nicht auf den Entschluss des Verwalters, sondern auf andere, nicht mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung zusammenhängende Umstände zurückzuführen ist und der sich daher ebenso auch ohne diese Anordnung ereignet hätte. In solchen Veräußerungen verwirkliche sich nicht das mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung verbundene spezifische Verlustrisiko (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 349 ≪352 f.≫ betreffend das Verteidigungsgesetz der DDR; Urteil vom 18. November 1997 – BVerwG 7 C 65.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 130 S. 396 ≪397≫ hinsichtlich einer Veräußerung zu Zwecken des Braunkohletagebaus und – zum Aufbaugesetz – Beschluss vom 9. August 2000 – BVerwG 8 B 110.00 – S. 3 des amtlichen Umdrucks).

Angesichts dieser Rechtsprechung wird nicht deutlich, worin der zusätzliche rechtliche Ertrag eines Revisionsverfahrens bestehen sollte. Das Verwaltungsgericht hat entlang dieser Rechtsprechung die Subsumtion des von ihm festgestellten Sachverhalts unter die fragliche Vorschrift vorgenommen. Die Beschwerde bemängelt die Schlussfolgerung, die das Verwaltungsgericht aus den höchstrichterlichen Rechtssätzen gezogen hat, nicht aber deren Fehlen.

3. Schließlich hat die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) keinen Erfolg. Die geltend gemachte Abweichung entbehrt einer hinreichenden Gegenüberstellung einander jeweils widersprechender, abstrakter und entscheidungstragender Rechtssätze. Die Beschwerde vergleicht nur Sachverhaltsvarianten und dies hinsichtlich der Behauptung auch fehlerhaft, dass Verwaltungsgericht habe den angeblich zu niedrigen Kaufpreis nicht gewürdigt (vgl. demgegenüber UA S. 11). Unter Rechtssätzen ist die sprachliche Form zu verstehen, die sich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nicht begnügt, sondern den Inhalt der Norm näher umschreibt, der von Rechts wegen Geltung beansprucht. Die geltend gemachte Abweichung hat indes keine solche rechtssatzgemäße Auslegung des materiellen Rechts, sondern nur die Würdigung tatsächlicher Umstände zum Gegenstand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Postier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI600625

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