Verfahrensgang

Thüringer OVG (Aktenzeichen 3 KO 354/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 1999 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan.

Die Beschwerde macht geltend, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung zum Beweis der Tatsache, daß nach dem Abzug der serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo Angehörige der kroatischen Minderheit, also katholische Glaubenszugehörige, im Sommer 1999 aus dem Kosovo evakuiert und zu ihrer eigenen Sicherheit ausgeflogen worden seien, die Einholung eines Sachverständigengutachtens des UNHCR beantragt. Das Berufungsgericht habe diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, er sei auf die Übergangszeit bezogen und enthalte keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die gegenwärtigen Verhältnisse für albanische Volkszugehörige katholischen Glaubens, weshalb er sich insoweit als spekulativ erweise. Diese Ablehnung des Beweisantrags finde im Prozeßrecht keine Stütze und verletze deshalb den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Es sei nicht nachvollziehbar, warum die international organisierte Evakuierung katholischer Glaubenszugehöriger nicht auch für die Situation dieser Minderheit im Dezember 1999 aussagekräftig sei. Im übrigen habe das Berufungsgericht auch seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Dem Vortrag des Klägers, aufgrund seines katholischen Glaubens im Kosovo nicht sicher zu sein, habe das Berufungsgericht lediglich die nicht durch Tatsachen oder Erkenntnismittel belegte Behauptung entgegengesetzt, daß christliche Glaubenszugehörige Übergriffe von Angehörigen des moslemischen Bevölkerungsanteils nicht zu erwarten hätten. Hierzu hätte das Gericht indes weitere Sachaufklärung beispielsweise durch Einholung einer Auskunft des UNHCR betreiben müssen. Diese hätte ergeben, daß der Kläger ungeachtet seiner albanischen Volkszugehörigkeit als „Nicht-Moslem” Übergriffen der mohammedanischen Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sei.

Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensmangel weder unter dem Gesichtspunkt einer Gehörsverletzung noch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Aufklärungspflicht aufgezeigt.

Zwar geht die Beschwerde zutreffend davon aus, daß die Ablehnung eines erheblichen Beweisantrags das rechtliche Gehör verletzt, wenn sie im Prozeßrecht keine Stütze mehr findet. Sie legt indes nicht dar, daß das Berufungsgericht die beantragte Einholung einer sachverständigen Auskunft des UNHCR prozeßrechtswidrig abgelehnt hat. Soweit der Beweisantrag sich auf die Tatsache der Evakuierung kroatischer Volkszugehöriger katholischen Glaubens aus dem Kosovo im Sommer 1999 bezog, hat das Gericht diesen Umstand als solchen nicht in Zweifel gezogen, ihn aber für nicht entscheidungserheblich gehalten, weil sich aus dem Umgang mit der kroatischen Minderheit nichts für Angehörige der eigenen Volksgruppe der Albaner ergebe. Die Ablehnung eines nach Auffassung des Gerichts nicht erheblichen Beweisantrags ist aber prozeßrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit sich der Beweisantrag darüber hinaus auch auf die Gefährdung katholischer Glaubensangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit im Kosovo bezogen haben sollte, hat das Berufungsgericht den Antrag in der mündlichen Verhandlung als „spekulativ”, d.h. als unzulässigen Beweisermittlungs- oder Ausforschungsantrag abgelehnt und in den Urteilsgründen ausgeführt, daß nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen nichts dafür spreche, daß albanische Volkszugehörige christlichen Glaubens, die ursprünglich in anderen Landesteilen wohnhaft gewesen seien, etwa Übergriffe von Angehörigen des moslemischen Bevölkerungsteils zu erwarten hätten (UA S. 17). Damit hat es den beantragten weiteren Sachverständigenbeweis sinngemäß auch wegen der aus den bereits herangezogenen Erkenntnismitteln gewonnenen eigenen Sachkunde verneint. Inwiefern dies im Prozeßrecht keine Stütze mehr findet, legt die Beschwerde nicht dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Tatsachengericht einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft grundsätzlich mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde, die sich im Asylverfahren namentlich aus der Verwertung bereits vorliegender Erkenntnismittel ergeben kann, ablehnen; es muß in diesem Falle allerdings in dem Beweisablehnungsbeschluß oder spätestens in der Sachentscheidung nachvollziehbar begründen, woher es seine Sachkunde bezieht (vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. Februar 1999 – BVerwG 9 B 381.98 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42 = DVBl 1999, 1206 m.w.N.). Wie konkret der Nachweis der eigenen Sachkunde des Gerichts zu sein hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht in Streit stehenden Einzelfragen ab. Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Erkenntnisquellen, so muß der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, daß in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfrage enthalten sind (BVerwG, Beschluß vom 11. Februar 1999 a.a.O.). Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, daß und inwiefern die zahlreichen vom Berufungsgericht in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen zur Lage der Minderheiten im Kosovo für eine sachkundige Beurteilung nicht ausreichend gewesen sein sollen. Sie bezieht sich zwar auf verschiedene ethnische Minderheiten, die in den Quellen als mögliche Opfer von Übergriffen seitens der albanischen Bevölkerungsmehrheit bezeichnet sind, wie Serben, Roma, Ashkali und Kroaten, vermag aber selbst keine Quelle zu benennen, aus der sich irgendwelche Anhaltspunkte für Übergriffe von Albanern gegen albanische Volkszugehörige katholischen Glaubens ergeben. Derartige Anhaltspunkte enthält im übrigen auch der von der Beschwerde aufgeführte neue ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amts, Stand 8.12.1999, nicht der sich insbesondere auf Berichte der Vereinten Nationen sowie sonstiger im Rahmen des UNMIK-Mandats im Kosovo tätigen internationalen Organisationen stützt. Die Beschwerde legt auch nicht dar, daß und inwiefern die vorhandenen Erkenntnismittel insoweit unvollständig sein sollen. Dies wäre vorliegend angesichts der starken internationalen Beobachtung der Vorgänge im Kosovo und der zahlreichen gerade die Lage der gefährdeten Minderheiten betreffenden Erkenntnismittel indes erforderlich gewesen.

Ist danach eine prozeßrechtswidrige Ablehnung des Beweisantrags nicht aufgezeigt, fehlt es auch an der Darlegung einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Denn eine weitere Sachaufklärung hätte sich dem Berufungsgericht nur aufdrängen müssen, wenn es aufgrund der vorhandenen Erkenntnismittel sich nicht selbst für ausreichend sachkundig hätte halten dürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Beck, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566946

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