Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 13 S 1378/98)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt Dr. Gutmann beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

1. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts kann nicht entsprochen werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 und § 121 Abs. 1 ZPO).

2. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt. Diese rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Die Beschwerde wird allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.

Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, „ob die rechtswidrige Ausweisung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zwingend zurückzunehmen ist”, und zwar mit Rücksicht auf die Konventionsvorschriften namentlich Art. 33 GK. Diese Frage bedarf nicht der Beantwortung in einem Revisionsverfahren. Der Kläger ist aus Deutschland ausgewiesen worden. Seine Abschiebung in einen bestimmten Zielstaat ist ihm nicht mehr angedroht, nachdem die Beklagte die in der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung enthalten gewesene Abschiebungsandrohung zurückgenommen hat. Art. 33 GK findet auf den Kläger keine Anwendung. Demgemäß ist nicht ersichtlich, inwiefern die Konvention zur Rücknahme der Ausweisung zwingen könnte. Derartiges legt auch die Beschwerde nicht dar, insbesondere nicht mit dem Hinweis darauf, dass in der Konvention Flüchtlingen eingeräumte Vergünstigungen einen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 9. September 1992 – BVerwG 1 B 71.92 – (Buchholz 402.22 Art. 32, 33 GK Nr. 7) ausgeführt, dass die Anwendbarkeit des Art. 33 Nr. 1 GK grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn es um eine Abschiebung des Ausländers geht. Er hat dazu ausgeführt:

Art. 33 Nr. 1 GK verbindet grundsätzlich die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings „über die Grenzen von Gebieten …, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde”, mit anderen Worten, in denen für ihn die Gefahr politischer Verfolgung besteht. Eine derartige auf ein bestimmtes Zielland gerichtete aufenthaltsbeendende Maßnahme enthält die gegen den Kläger erlassene Ausweisungsverfügung nicht, die allein den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet, nachdem eine ursprünglich mit ihr verbundene Abschiebungsandrohung zwischenzeitlich aufgehoben … worden ist.

Die Genfer Konvention legt nicht fest, in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung die nach Art. 33 GK grundsätzlich verbotene Ausweisung erfolgt, sondern überlässt dies der nationalen Rechtsordnung der jeweiligen Vertragsstaaten… Nach deutschem Ausländerrecht begründet die vollziehbare Ausweisungsverfügung die Verpflichtung des Ausländers, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen und nicht mehr dorthin einzureisen (§ 42 Abs. 1 und 3, § 8 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990). Die Ausweisungsverfügung schreibt dem Ausländer nicht vor, wohin er auszureisen hat; dem Ausländer bleibt vielmehr die Wahl des zukünftigen Aufenthaltslandes überlassen. Erst mit der Abschiebungsandrohung bestimmt die Verwaltungsbehörde den Staat, in den sich der Ausländer zu begeben hat… Aus der nach deutschem Recht gebotenen Unterscheidung zwischen Ausweisung und Abschiebung folgt, dass die auf ein bestimmtes Zielland gerichtete Ausweisung i.S. des Art. 33 Nr. 1 GK und damit die Anwendbarkeit dieser Vorschrift grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn es um eine Abschiebung des Ausländers geht…

Dass zu dieser Problematik weiterer Klärungsbedarf bestehen könnte, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

Die außerdem als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Problematik, „ob der in der Flüchtlingskonvention verwendete Begriff des rechtmäßigen Inlandsaufenthalts denjenigen des geduldeten Flüchtlings mit umfasst oder ob er dem Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 AuslG voraussetzt”, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern ein Revisionsverfahren zu ihrer Beantwortung führen könnte. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der von dem Kläger erhobene Anspruch auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 8. Oktober 1993. Ob der Kläger Ansprüche nach Maßgabe der Genfer Konvention hat, welche die Rechtmäßigkeit seines Inlandsaufenthalts zur Voraussetzung haben, ist hingegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Meyer, Dr. Hahn, Groepper

 

Fundstellen

NVwZ-RR 2001, 131

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