Verfahrensgang

VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 18.07.2000; Aktenzeichen 7 A 143/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat nicht, wie die Beschwerde rügt, gegen seine Pflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, sondern den Sachverhalt nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Feststellung der Wehrdienstfähigkeit aufgestellten Grundsätzen aufgeklärt (vgl. Urteile vom 25. November 1988 – BVerwG 8 C 42.87 –, vom 19. Juli 1989 – BVerwG 8 C 33.88 – und vom 12. April 1991 – BVerwG 8 C 45.90 – ≪Buchholz 448.0 § 8 a WPflG Nr. 45, 48 und 53≫). Aus diesem Grund liegt auch die mit der Beschwerde geltend gemachte Abweichung von den genannten Entscheidungen nicht vor, sodass offen bleiben kann, ob die Beschwerde insoweit den Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes nach § 132 Abs. 2 Nr. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

Nach der erwähnten Rechtsprechung lässt sich grundsätzlich nur aufgrund besonderer (wehrmedizinischer) Sachkunde beantworten, ob die hier getroffene Festsetzung „wehrdienstfähig” mit der Einschränkung „verwendungsfähig in der Grundausbildung und für bestimmte Tätigkeiten” dem Leiden des Klägers zutreffend Rechnung trägt. Greift ein Verwaltungsgericht – wie hier – auf die Tauglichkeitsbestimmungen der ZDv 46/1 zurück, sind zunächst Feststellungen über Art und Schwere des Körperfehlers oder Leidens des Wehrpflichtigen erforderlich. Deren Zuordnung zu den Fehlernummern und Gradationen der ZDv 46/1 ist ebenfalls nicht ohne besondere medizinische Sachkunde möglich, wenn in dem zu beurteilenden Fall aufgrund des Inhalts der vorhandenen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen sowie der medizinischen Erfahrungssätze der ZDv 46/1 Anlass zu Abgrenzungszweifeln besteht, die ohne fachkundige Erläuterung nicht ausgeräumt werden können. So verhält es sich namentlich, wenn die ZDv 46/1 selbst zur Ermittlung der zutreffenden Gradation eine zusätzliche gebietsärztliche Untersuchung des Wehrpflichtigen empfiehlt oder sogar anordnet. In solchen Fällen muss das Verwaltungsgericht in Ermangelung der erforderlichen eigenen besonderen Sachkunde nach § 86 Abs. 1 VwGO gerichtlichen Sachverständigenbeweis erheben (vgl. auch Beschlüsse vom 17. Januar 1995 – BVerwG 8 B 149.94 – und vom 18. Dezember 1998 – BVerwG 6 B 108.98 – Buchholz 448.0 § 8 a WPflG Nr. 56 und 64).

Das Verwaltungsgericht hat es zunächst zutreffend nicht für erforderlich gehalten, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Art und Schwere des Leidens des Klägers zu erheben. Die vorliegenden ärztlichen Äußerungen, namentlich der Untersuchungsbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. Paschen und das im gerichtlichen Verfahren durch den Kläger vorgelegte Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. Lange stimmen in wesentlicher Hinsicht überein. Im Unterschied zu den Fällen, die den vom Kläger herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegen haben, beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts also auf fachärztlichen Beurteilungen, die unbestritten geblieben sind. Der Kläger hat weder vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen noch lässt sich der Beschwerde entnehmen, welche davon abweichenden Erkenntnisse eine weitere Begutachtung hätte erbringen können. Hat aber kein Dissens in den vorliegenden ärztlichen Aussagen bestanden, hat es der Einholung eines wehrmedizinischen Sachverständigengutachtens nicht bedurft (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1998, a.a.O.).

Das Verwaltungsgericht ist aber auch nicht verpflichtet gewesen, wegen der Zuordnung des Leidens des Klägers zu den Fehlernummern und Gradationen der ZDv 46/1 ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dies wäre nach der erwähnten Rechtsprechung nur dann erforderlich gewesen, wenn nach den vorliegenden Unterlagen Abgrenzungszweifel bestanden hätten. Dies ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist von der fachärztlichen Einschätzung des Dr. Paschen (Zuordnung zu Nr. 42/IV der ZDv 46/1) ausgegangen und hat sie anhand des Wortlautes der ZDv 46/1 nachvollzogen. Es hat sich sodann mit den Einwänden des Klägers befasst und festgestellt, dass die vom Kläger vorgelegten Atteste das Krankheitsbild wiedergeben, das in Nr. 42/IV der ZDv 46/1 beschrieben wird; namentlich zu dem Attest des Dr. Lange hat es ausgeführt, dass dessen Formulierungen der Sache nach nichts enthielten, was von der Auffassung der Musterungsärzte abwiche. Das Verwaltungsgericht hat also nicht etwa das Leiden des Klägers ohne die erforderliche Sachkunde selbst unter die ZDv 46/1 „subsumiert”, sondern geprüft, ob Zweifel an der Richtigkeit der vorliegenden fachärztlichen Zuordnung zu deren Nr. 42/IV bestehen, was gegebenenfalls eine gerichtliche Begutachtung erforderlich gemacht hätte. Der Kläger hat nichts dafür vorgebracht, dass die Äußerung des Facharztes Dr. Paschen nicht gerichtlich nachvollziehbar und überprüfbar sei (vgl. dazu Beschluss vom 17. Januar 1995, a.a.O.).

Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den mit der Beschwerde wiederholten Vortrag des Klägers, bestimmte Tätigkeiten in der Grundausbildung (tägliches Marschieren bis zu 3 km, Ausbildung im Gelände im vorgesehenen Umfang) würden den Kläger aufgrund seines Leidens in unzumutbarem Maße einem gesundheitlichen Risiko oder Schmerzzuständen aussetzen, nicht zum Anlass für eine Beweiserhebung genommen hat. Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO den Standpunkt eingenommen, dass dieses Vorbringen nur dann Anlass zu einer Beweiserhebung gegeben hätte, wenn, was nicht der Fall gewesen ist, die vom Kläger beigebrachten fachärztlichen Atteste entsprechende konkrete Hinweise enthalten hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Gerhardt, Graulich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI544108

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