Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 12 A 11122/99)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

1. Die Sache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die „Rechtsfrage, ob ein Sozialhilfeträger im Falle des Umzuges eines jüdischen Emigranten, der als Kontingentflüchtling in die Bundesrepublik gekommen ist, aus seinem Zuständigkeitsbereich in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers, dem neuen Sozialhilfeträger die dort erforderlich werdende Hilfe gemäß § 107 BSHG zu ersetzen hat”, wie auch die „Rechtsfrage, ob ein jüdischer Emigrant selbst dann in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 107 Abs. 1 BSHG begründet, wenn er von Anfang an in den Zuständigkeitsbereich des neuen Sozialhilfeträgers wollte und nur während der kurzen Dauer von lediglich fünf Monaten in dem Übergangswohnheim wohnte” (S. 2 der Beschwerdebegründung), erfüllen schon deshalb nicht die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie allenfalls die Besonderheiten des Einzelfalles betreffen. Die Beschwerde legt nicht dar, in welcher Hinsicht mit der Entstehung „unzumutbare(r) finanzielle(r) Mehrbelastungen” des ursprünglichen Sozialhilfeträgers in bezug auf die Personengruppe „jüdischer Emigranten (, die) als Kontingentflüchtlinge in das Bundesgebiet (kommen)” (S. 3 der Beschwerdebegründung), für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfragen verbunden sind, die nicht schon durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil des Senats vom 18. März 1999 – BVerwG 5 C 11.98 – ≪Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 1 = DVBl 1999, 1126 = FEVS 49, 434 = NDV-RD 1999, 73 = NVwZ-RR 1999, 583; Beschluß des Senats vom 24. Januar 2000 – BVerwG 5 B 211.99 –) geklärt sind.

Soweit die Beschwerde einen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf damit begründet, es müsse höchstrichterlich festgelegt werden, „welche Gruppen von Hilfeempfängern den Kostenerstattungsanspruch aus § 107 BSHG auslösen können und unter welchen subjektiven und objektiven Voraussetzungen ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift begründet wird” (S. 3 f. der Beschwerdebegründung), verkennt sie, daß es nicht Aufgabe der Revision ist, unabhängig vom konkreten Klärungsbedürfnis des Einzelfalles abstrakt-generelle Rechtssätze zu entwickeln. Bezogen auf das Ausgangsverfahren meint die Beschwerde zwar, wegen des Umstandes, daß „Kontingentflüchtlinge … nach kürzestem Aufenthalt in dem Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers, dem sie ursprünglich zugewiesen wurden, in den eines anderen ziehen (können)” (S. 5 unten der Beschwerdebegründung), könne bei Kontingentflüchtlingen – anders als bei Spätaussiedlern, auf die sich das genannte Urteil des Senats bezog – nicht von „einem mit den Spätaussiedlern vergleichbaren Aufenthalt bis auf weiteres gesprochen werden” (S. 6 oben der Beschwerdebegründung). Die Beschwerde setzt sich hierbei indessen nicht mit den vom Senat (a.a.O.) herausgearbeiteten Merkmalen eines solchen „Aufenthalts bis auf weiteres” im Sinne eines „zukunftsoffenen Verbleibs” auseinander. Sie läßt dementsprechend auch nicht erkennen, welcher revisionsgerichtliche Klärungsbedarf mit dem Unterschied verbunden sein soll, daß es im vorliegenden Fall um einen Aufenthalt von „nicht einmal fünf Monate(n)” geht, während „in der fraglichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts … die Familie über ein Jahr in einer vergleichbaren Einrichtung (lebte)” (S. 6 der Beschwerdebegründung). Es liegt auf der Hand und erfordert deshalb keine Klärung in einem Revisionsverfahren, daß die nach der Rechtsprechung des Senats für die Annahme eines „zukunftsoffenen Verbleibs” erforderliche Aufenthaltsdauer sich nicht abstrakt, d.h. losgelöst von den Umständen des Einzelfalles, festlegen und dementsprechend auch „die Frage, ob bei einem Aufenthalt von nicht einmal fünf Monaten von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 107 BSHG ausgegangen werden kann” (S. 6 unten der Beschwerdebegründung), nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen beantworten läßt.

Ebenfalls nur den Einzelfall betrifft der von der Beschwerde hervorgehobene Sachverhaltsunterschied, wonach es im vorliegenden Fall um den Aufenthalt einer Einzelperson geht, während der vom Senat durch das genannte Urteil entschiedene Fall Eltern und zwei Kinder betraf.

Nicht über die schon vorliegende Rechtsprechung hinaus revisionsgerichtlich klärungsbedürftig ist auch, „inwieweit für die Frage, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 107 BSHG begründet wurde, auf den Willen des Heimbewohners und somit auf subjektive Momente einzugehen ist” (S. 7 oben der Beschwerdebegründung). Eine solche Frage würde sich, ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht stellen; denn das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, daß für die Hilfeempfängerin „bei Aufnahme in dem Übergangswohnheim in T. nicht absehbar war, ob sich ein Umzug nach B. überhaupt werde realisieren lassen und ggf. wann dies sein werde. Dementsprechend (habe) sie auch nicht die Dauer ihres Aufenthalts in T. vorausgesehen oder die dortige Aufenthaltsdauer gar von vornherein geplant” (S. 6 oben des Berufungsurteils). Bei einem solchen Sachverhalt lassen Absichten und Wünsche des Hilfeempfängers in bezug auf eine anderweitige Aufenthaltsnahme das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne eines Aufenthalts „bis auf weiteres” unberührt. Auch zu dieser Feststellung bedarf es nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Einen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf bezeichnet die Beschwerde auch nicht mit ihrem Hinweis, daß die Erwägungen des Senats zur Entstehungsgeschichte „in dem hier zu entscheidenden Fall nicht zum Tragen kommen, da das Wohnortzuweisungsgesetz auf den Fall einer jüdischen Emigrantin nicht anwendbar ist” (S. 8 der Beschwerdebegründung). Die Erwägungen zur Entstehungsgeschichte haben dem Senat neben anderen rechtlichen Überlegungen zur Begründung des gefundenen Ergebnisses gedient, weil es nach der Ansicht des Senats „durch die nachfolgende Gesetzesentwicklung bestätigt” wurde (S. 10 oben des Urteilsumdrucks). Die rechtlichen Voraussetzungen des § 107 BSHG werden aber nicht allein deswegen (erneut) revisionsgerichtlich klärungsbedürftig, weil in dem betreffenden Fall aufenthaltsregelnde Bestimmungen keine Rolle spielen.

2. Die Revision kann auch nicht wegen Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden.

Die Beschwerde macht in dieser Hinsicht geltend, daß das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Beklagten zur Frage der Überschreitung der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG „umfassend hätte würdigen müssen, … jedoch keine rechtliche Beurteilung über die Gewährung des Mehrbedarfs wegen Alters nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BSHG vor(genommen habe)” (S. 10 der Beschwerdebegründung). Inwieweit die Außerachtlassung eines rechtlichen Gesichtspunktes einen Verfahrensfehler darstellen kann und ein solcher hier vorliegt, legt die Beschwerde indessen nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Dr. Franke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566405

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