Verfahrensgang

OVG für das Land Brandenburg (Aktenzeichen 4 A 132/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 12. August 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte und auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beklagte beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Annahme, „daß sich die Hilfeempfängerin in Potsdam ‚bis auf weiteres’ im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufgehalten habe”, nicht berücksichtigt, daß dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit ein etwas anderer Sachverhalt als dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 – BVerwG 5 C 11.98 – (Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 1 = DVBl 1999, 1126 = FEVS 49, 434 = NDV-RD 1999, 73 = NVwZ-RR 1999, 583) zugrunde liege (Beschwerdebegründung S. 1). Damit bezeichnet sie weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch einen Verfahrensfehler. Die Rüge fehlerhafter Sachverhalts- und Beweiswürdigung oder Rechtsanwendung im Einzelfall genügt dafür nicht.

Auch der Angriff (Beschwerdebegründung S. 2) gegen die Annahme eines „zukunftsoffenen Verbleibs” der Hilfeempfängerin richtet sich nur gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Zudem verlangt die Beklagte zu Unrecht eine weitere Befragung der Hilfeempfängerin, obgleich diese unbestritten erklärt hatte, daß sie den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse in der Zeit von Ende 1993 bis August/September 1994 in Potsdam gehabt habe. Soweit die Beklagte weiter vorträgt, „eine entsprechende Beweiserhebung (hätte) mit großer Wahrscheinlichkeit ergeben, daß die Hilfeempfängerin von Anfang an ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin begründen wollte und sich zu keinem Zeitpunkt damit ‚abgefunden’ hatte, sich ‚bis auf weiteres’ in Potsdam aufhalten zu müssen”, verkennt die Beklagte, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) entscheidungserheblich auf das objektive Moment des über mehrere Monate andauernden Aufenthalts in Potsdam abgestellt hat. Es war nicht „allein eine tatsächliche Aufenthaltsdauer von mehr als wenigen Stunden oder Tagen”, wie es die Beklagte zu einem behaupteten entgegenstehenden Willen formuliert. Auch läßt die Beklagte außer acht, daß die Hilfeempfängerin vor der Streichung (am 22. September 1994) der aufenthaltsrechtlichen Eintragung im Paß „Wohnsitznahme im Land Brandenburg” gar keinen Wohnsitz außerhalb Brandenburgs nehmen durfte.

Zu Unrecht beanstandet die Beklagte, „in der mündlichen Verhandlung … (habe) das Gericht nicht zu erkennen gegeben, daß es dem Schreiben der Hilfeempfängerin in irgendeiner Weise Gewicht beimessen wolle”. Die Beklagte selbst hat das Schreiben vorgelegt und das Urteil darf auf alle Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO).

Von grundsätzlicher Bedeutung ist nicht die Frage, „ob auch eine zentrale Aufnahmeeinrichtung für jüdische Flüchtlinge … eine Einrichtung i.S.d. § 97 Abs. 4 BSHG sein kann”. Denn unabhängig davon, ob in der streitgegenständlichen Zeit ein oder zwei Sozialarbeiter zur Verfügung standen, ist das Übergangsheim für jüdische Emigranten nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG. Denn das Wohnheim diente der Unterbringung der jüdischen Emigranten, es ist aber nicht, wie es § 97 Abs. 4 BSHG voraussetzt, eine Einrichtung, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen im Bundessozialhilfegesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dient. Das zeigt sich auch daran, daß die Beklagte der Hilfeempfängerin für ihren Aufenthalt in diesem Wohnheim keine Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 27 ff. BSHG), sondern Hilfe zum Lebensunterhalt mit laufenden Leistungen nach Regelsätzen gewährt hat, was, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG ein Leben „außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen” voraussetzt.

Schließlich rechtfertigen die Ausführungen der Beklagten zu § 72 BSHG die Zulassung der Revision nicht. Denn zum einen hat die Hilfeempfängerin von der Beklagten keine Hilfe nach § 72 BSHG erhalten und zum anderen wäre eine Hilfe nach § 72 BSHG nicht notwendig in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung (§ 97 Abs. 4 BSHG) zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt

 

Fundstellen

Haufe-Index 566370

FEVS 2000, 389

ZfF 2002, 90

ZfF 2002, 91

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