Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 10a D 149/97.NE)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerinnen zu 1 und zu 3 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin zu 1 2/3 und die Antragstellerin zu 3 1/3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist – ihre Zulässigkeit unterstellt – nicht begründet. Das Vorbringen der Beschwerde ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO erfüllt sind.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann eine sachliche Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung nicht erreicht werden. Das ist der erst erstrebten Revision vorbehalten. Vielmehr kann mit der Beschwerde nur die Zulassung der Revision aufgrund eines der in § 132 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe begehrt werden. Demgemäß bezieht sich die Prüfung des Beschwerdegerichts allein darauf, ob gerade einer der gesetzlichen Zulassungsgründe in zulässiger Weise geltend gemacht wurde und ob dieser Grund auch tatsächlich besteht. Dazu muss der Beschwerdeführer gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert darlegen, dass einer der gesetzlich vorgegebenen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Das kann auch sinngemäß geschehen. In jedem Falle muss für das Beschwerdegericht deutlich sein, welchen Zulassungsgrund die Beschwerde mit welchem Sachvortrag verbinden will. Das Beschwerdegericht prüft den geltend gemachten Zulassungsgrund nur auf der Grundlage des dazu in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Sachverhalts.

Das Vorbringen der Beschwerde beachtet diese Begrenzung der Beschwerdemöglichkeit mehrfach nicht, sondern wendet sich gegen die vorinstanzliche Entscheidung durchgehend in der Art und Weise einer Revisionsbegründung, die dem vorinstanzlichen Gericht Rechtsfehler vorhält. Eine derartige Prüfung kann das Beschwerdegericht im Verfahren nach §§ 132 Abs. 2, 133 VwGO nicht vornehmen. Im Einzelnen ergibt sich zu den in der Reihenfolge der in der Beschwerdebegründung dargestellten Problembereichen:

1. Die Beschwerde trägt vor, das Normenkontrollgericht weiche mit seinem Beschluss vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 19.85 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 9 = NVwZ 1987, 1076 = BRS 47 Nr. 56 – ab. Das trifft nicht zu. Die vorgetragene Abweichungsrüge ist nicht schlüssig dargetan.

1.1 Hat das vorinstanzliche Gericht seine Entscheidung mehrfach – tragend – begründet, dann muss die Beschwerde für jede der Begründungen der Entscheidung einen selbständigen Zulassungsgrund vortragen. Die Beschwerde ist nur begründet, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Mehrfachgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Nr. 4). So liegt es hier.

Das Normenkontrollgericht prüft zunächst, ob die Antragsgegnerin bei der vorgenommenen Überplanung eine zutreffende Aufnahme des vorhandenen Bestandes vorgenommen hat (Beschlussabdruck S. 41). Dies wird bejaht. Das Normenkontrollgericht stellt fest, dass im Plangebiet ein großflächiger Einzelhandel nicht genehmigt worden sei und bestimmt dazu den Begriff der Großflächigkeit unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 näher. Das vorinstanzliche Gericht führt alsdann aus, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägung „nicht allein tragend von der Verneinung von genehmigtem großflächigem Einzelhandel im Plangebiet ausgegangen” sei. Vielmehr habe die Antragsgegnerin das Abwägungsergebnis „unabhängig von der etwaigen Genehmigung großflächigen Einzelhandels selbständig tragend auf die zutreffende Annahme gestützt, dass er ≪i.e. der Rat der Antragsgegnerin≫ – entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen zu 1 und 3 – nicht verpflichtet sei, die gegebene Situation – und damit etwa das Vorhandensein genehmigten (großflächigen) Einzelhandels im Plangebiet – planerisch festzuschreiben” (Beschlussabdruck S. 43). Mit dieser Prüfung hat das Normenkontrollgericht ausdrücklich festgehalten, dass es nach seiner Beurteilung für die Gemeinde nicht abwägungserheblich gewesen sei, ob im Plangebiet großflächiger Einzelhandel genehmigt worden war. Gegen diese tatrichterliche Feststellung hat die Beschwerde – wie noch darzulegen ist – einen durchgreifenden selbständigen Zulassungsgrund nicht erhoben.

1.2 Auch in der Sache ist eine Abweichung zu der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dargetan.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das ist hier nicht der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat den von der Beschwerde ihrem Vorbringen zugrunde gelegten Rechtssatz zur Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebes (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO) nicht aufgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade ausgeführt, es habe aus Anlass des Falles nicht zu entscheiden, wo nach dem derzeitigen Einkaufsverhalten der Bevölkerung und den Gegebenheiten im Einzelhandel die Verkaufsflächen-Obergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung liege. Das Gericht hat ergänzend hinzugefügt, vieles spreche dafür, dass die Obergrenze nicht wesentlich unter 700 qm, aber auch nicht wesentlich darüber liege. Es mag bereits erörterungsbedürftig sein, ob das Bundesverwaltungsgericht damit überhaupt einen „Rechtssatz” im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erörtert hat. Das mag indes dahinstehen. Wenn das vorinstanzliche Gericht davon ausgeht, die Annahme der Großflächigkeit sei unterhalb einer Verkaufsfläche von 700 qm nicht gerechtfertigt, so setzt es sich mit dieser Auffassung jedenfalls nicht in Widerspruch zu der vom Bundesverwaltungsgericht lediglich behandelten „Bandbreite” der Großflächigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO.

Auf die von der Beschwerde vorgetragenen rechtlichen Schlussfolgerungen ihrer Behauptung, es gebe im Plangebiet bereits einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, kommt es nicht an. Mit diesem Vorbringen erfüllt die Beschwerde die Voraussetzungen einer zulässigen Divergenzrüge nicht, sondern kritisiert allein den Inhalt der vorinstanzlichen Entscheidung. Dazu ist die erhobene Rüge der Abweichung indes ungeeignet. Das gilt insbesondere für den Vortrag der Beschwerde, die planerische Abwägung der Antragsgegnerin sei fehlerhaft gewesen und genüge den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Aus diesem Vorbringen ist ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht zu entnehmen. Die Beschwerde irrt übrigens mit ihrer Annahme, bei einer Überplanung sei eine Gemeinde rechtlich gehalten, einen vorliegenden Bestand gleichsam weiterzuschreiben (vgl. arg e § 1 Abs. 10 BauNVO).

2. Die Beschwerde rügt – ersichtlich als Verfahrensfehler –, das Normenkontrollgericht habe seiner Würdigung gerichtliche Entscheidungen zugrunde gelegt, an denen die Antragstellerin nicht beteiligt gewesen sei. Außerdem sei der Sachvortrag der Antragstellerinnen insoweit nicht ausreichend berücksichtigt. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargetan.

2.1 Die Beschwerde meint mit ihrem Vorbringen die Bezugnahme des Normenkontrollgerichts auf die in den Verfahren 2 K 448/98 und 10 A 1105/00 ergangenen Entscheidungen (vgl. Beschlussabdruck S. 42). Die Beschwerde ist unzulässig. Ein Verfahrensfehler – der hier nur in der Verletzung des § 108 Abs. 2 VwGO liegen könnte – ist nicht dargetan.

Das Verfahren 2 K 448/98 wurde von der Antragsgegnerin in das vorinstanzliche Verfahren eingeführt (vgl. Schriftsatz vom 18. Januar 2000 – Bl. 93 d.A.). Die Antragstellerinnen haben dies zur Kenntnis genommen (vgl. Schriftsatz vom 28. Januar 2000 – Bl. 102 d.A.). Sie haben sich in weiteren Schriftsätzen auf die Verfahren 2 K 448/98 und 10 A 1105/00 selbst bezogen. Das ist in den Schriftsätzen vom 31. März 2000 (Bl. 103 d.A.), vom 7. August 2000 (Bl. 110 d.A.), vom 10. November 2000 (Bl. 120 d.A.) und vom 15. Januar 2001 (Bl. 180 d.A.) geschehen. Bei dieser Sachlage konnte das Normenkontrollgericht selbstverständlich davon ausgehen, dass die anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen den Inhalt der genannten Entscheidungen kannten. Übrigens hat sich das Normenkontrollgericht ersichtlich nicht im prozessualen Sinne an den Inhalt der in anderen Verfahren ergangenen Entscheidungen gebunden gesehen.

2.2 Die Beschwerde vermag nicht darzulegen, dass das Normenkontrollgericht in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Sachvortrag der Antragstellerin übergangen hat. Das Gericht ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur gehalten, diejenigen Gründe anzugeben, die für seine Überzeugung leitend gewesen sind. Was die Beschwerde dem entgegenhält, ist ungeeignet, die Beachtung der Begründungspflicht in Zweifel zu ziehen.

Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, aus welchen Gründen nach seiner Auffassung ein großflächiger Einzelhandel nicht genehmigt worden sei. Die Beschwerde hält dem mit ihrem Vorbringen nur entgegen, die Ansicht des Normenkontrollgerichts sei unzutreffend. Dies versucht sie damit nachzuweisen, dass sie dem vorinstanzlichen Gericht eine unzureichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerinnen vorhält. Durch diese Art der Darlegung kann die Beschwerde indes nicht erreichen, dass die Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts sachlich geprüft wird.

2.3. Die Beschwerde macht ferner geltend, das Normenkontrollgericht sei Beweisangeboten der Antragstellerinnen nicht nachgegangen. Auch dieses Vorbringen ist unzulässig, weil unsubstantiiert. Die Beschwerde trägt nicht vor, wann und mit welchem genauen Beweisthema die Antragstellerinnen einen förmlichen Beweisantrag gestellt haben. Das weitere Vorbringen der Beschwerde stellt insoweit allein eine Kritik an der tatrichterlichen Würdigung dar. Dem nachzugehen ist dem Beschwerdegericht versagt.

Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang ferner geltend, die vorinstanzliche Entscheidung beruhe auf Annahmen, die in offensichtlichem Widerspruch zum unstreitigen Sachverhalt stünden. Die in diesem Vorbringen enthaltene Rüge der Aktenwidrigkeit der tatrichterlichen Feststellungen ist ebenfalls unsubstantiiert. Lässt das vorinstanzliche Urteil wesentlichen Akteninhalt unberücksichtigt, liegt darin eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Verfahrensrüge bedingt indes die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, sodass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf. Die Verfahrensrüge der „Aktenwidrigkeit” verlangt zu ihrer Schlüssigkeit dazu eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226). Das Vorbringen der Beschwerde erfüllt diese Anforderungen nicht. Es erschöpft sich in einer allgemeinen kritischen Behauptung.

2.4 Die Beschwerde macht ferner geltend, das Normenkontrollgericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Es habe das Vorbringen der Antragstellerinnen nicht ausreichend gewürdigt.

Das Beschwerdevorbringen ist unzulässig, weil nicht substantiiert. Es genügt zur Zulässigkeit einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht, nur einen allgemeinen Vorwurf zu erheben. Erforderlich ist, einen bestimmten Sachkomplex darzustellen und näher darzulegen, dass dieser – bei Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts – einer näheren Erörterung bedurft hätte. Ein Gericht ist ohnedies nicht gehalten – wie § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verdeutlicht – auf jedes Vorbringen eines Beteiligten einzugehen. Auch Art. 103 Abs. 1 GG zwingt dazu nicht. Die Begründungsweise des Normenkontrollgerichts ist durchaus „nachvollziehbar” und geht auf das Vorbringen der Antragstellerinnen grundsätzlich ein. Dass das Normenkontrollgericht bestimmte Sachverhalte nicht im Sinne der von den Antragstellerinnen vorgetragenen Rechtspositionen beurteilte, stellt ohnehin keine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs dar. Wenn beispielsweise das vorinstanzliche Gericht dem Vorbringen der Antragstellerinnen, es handele sich um eine sog. Verhinderungsplanung nicht gefolgt ist, wird mit einem darauf verweisenden Beschwerdevortrag ein gesetzlicher Zulassungsgrund nicht dargetan.

3. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler geltend, das Normenkontrollgericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt. Das Gericht habe als Planziel der Antragsgegnerin das Fernhalten zentrumstypischen Einzelhandels angenommen. Die Beschwerde macht geltend, dass der Sachvortrag der Antragsgegnerin nur vorgeschoben sei. Dies hätten die Antragstellerinnen im vorinstanzlichen Verfahren umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt. Das Normenkontrollgericht sei ohne ausreichende Beweiswürdigung dem Sachvortrag der Antragsgegnerin gefolgt. In seiner Vorgehensweise und in seiner rechtlichen Beurteilung liege zugleich ein Widerspruch zu dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 BN 15.99 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 = NVwZ 1999, 1338.

3.1 Die geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht dargetan.

Eine Gemeinde hat gemäß § 1 Abs. 3 BauGB in der städtebaulichen Zielsetzung und in der Frage der einzusetzenden Mittel ein weites planerisches „Ermessen”. Sie darf in diesem Sinne „Städtebaupolitik” betreiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 1995 – BVerwG 4 NB 21.95 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995 – BVerwG 4 NB 30.94 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 82 = DVBl 1995, 1010). § Abs. 3 BauGB dient auch dazu, erkennbaren Fehlentwicklungen durch Änderung vorhandener Bebauungspläne zu begegnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 – BVerwG 4 C 16.88 – Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 9 = UPR 1989, 436; Beschluss vom 16. Januar 1990 – BVerwG 4 NB 1.90 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 45 = NVwZ 1991, 345). Die Gemeinde kann in einem Gewerbegebiet gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten nachträglich ausschließen, um beispielsweise das produzierende Gewerbe zu stärken. § 1 Abs. 3 BauGB fordert dazu nicht den Nachweis, dass diese Nutzungsarten ohne die Beschränkung an anderen Standorten gefährdet sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 BN 15.99 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 = NVwZ 1999, 1338).

Das Normenkontrollgericht hat diese Auslegung des § 1 Abs. 3 BauGB in keiner Hinsicht in Zweifel gezogen, sondern wendet sie vielmehr an. Was die Beschwerde dem vorinstanzlichen Gericht entgegenhält, betrifft nicht eine andere Rechtsauslegung des § 1 Abs. 3 BauGB, sondern zielt allein auf den Vorwurf, das vorinstanzliche Gericht habe die tatsächlichen Umstände nicht hinreichend im Sinne der Antragstellerinnen gewürdigt. Damit greift die Beschwerde im Gewande einer Divergenzrüge in Wahrheit die tatrichterliche Überzeugungsbildung an.

3.2 Der geltend gemachte Verfahrensfehler der Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist unzulässig, da nicht hinreichend substantiiert. Sollte die Verletzung des Grundsatzes nach Ansicht der Beschwerde in einer unzureichenden Beweiserhebung liegen, genügt ihr Vorbringen nicht den Anforderungen der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde gibt nicht an, welchen konkreten Sachverhalt als Beweisthema sie durch welchen Beweisantrag mit welchen Beweismitteln unter Beweis gestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, den Akteninhalt danach durchzugehen, ob die Antragstellerinnen im vorinstanzlichen Verfahren einen bestimmten, aber nicht erledigten Beweisantrag gestellt haben. Zudem weist die Beschwerde nicht auf, dass die von ihr gewünschte Aufklärung nach Maßgabe der materiellrechtlichen Auffassung des Normenkontrollgerichts entscheidungserheblich war. Auch daran scheitert die Zulässigkeit ihrer Verfahrensrüge.

4. Die Beschwerde macht als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, die Festlegung einer Obergrenze für großflächige Handelsbetriebe sei klärungsbedürftig. Das Bundesverwaltungsgericht habe diese Frage in seinem Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 19.85 – (Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 9 = NVwZ 1987, 1076 = BRS 47 Nr. 56) bislang nicht abschließend entschieden. Ob es sich bei der näheren Bestimmung einer Obergrenze überhaupt um eine revisible Rechtsfrage handelt, mag auch an dieser Stelle dahinstehen. Die Frage ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig, weil im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung des Normenkontrollgerichts ist nicht tragend darauf gestützt, dass der Obergrenze der Großflächigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO ein bestimmter Wert zugrunde zu legen ist. Auf die obigen Erwägungen zur Frage doppelter Begründung wird verwiesen.

5. Die Beschwerde rügt, dass verschiedene Bestandteile der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung der Normenkontrollentscheidung „willkürlich erscheinen mit der Folge, dass die unhaltbare Würdigung gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt”. Die Rüge ist unzulässig. Es ist bereits zweifelhaft, welchen gesetzlichen Zulassungsgrund die Beschwerde mit ihrem Vorbringen vortragen will. Eine Rechtsverletzung als solche – auch hinsichtlich des Verfassungsrechts – erfüllt für sich genommen keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO. Sollte die Beschwerde eine Abweichung gegenüber der von ihr angeführten Entscheidung BVerfGE 58, 163, geltend machen wollen, ist eine Divergenz nicht erkennbar.

In ihrem weiteren Vorbringen zur Rechtsanwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB a.F. bewegt sich die Beschwerde ausschließlich in einer inhaltlichen Kritik zum einen zur Auslegung und Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB a.F. und zum anderen in einer Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und der tatrichterlichen Überzeugungsbildung. Soweit die Beschwerde die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts zur Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB a.F. als verfehlt ansieht, formuliert sie einen Zulassungsgrund nicht. Dass das Normenkontrollgericht nicht jene rechtlichen Folgerungen gezogen hat, welche die Beschwerde für geboten ansieht, begründet noch keinen Zulassungsgrund. Auch ein als Verfahrensfehler rügefähiger Verstoß gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung wird nicht dargetan. Wenn die Beschwerde behaupten will, das Normenkontrollgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, muss – wie hier bereits ausgeführt – substantiiert dargetan werden, hinsichtlich welcher konkreten tatsächlichen Umstände ein (weiterer) Aufklärungsbedarf bestand, – welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen (Beweismittel) für das vorinstanzliche Gericht hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich (mutmaßlich) getroffen worden wären, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt wurde oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein Hinwirken des Prozessbeteiligten von sich aus hätten aufdrängen müssen. Das Vorbringen der Beschwerde erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Pauschale Hinweise auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, auf eine Verletzung des § 133 BGB oder auf eine überraschende Beweiswürdigung ersetzen nicht den konkreten Nachweis, worin der Verfahrensfehler liegen soll. Die Beschwerde setzt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung des vorinstanzlichen Gerichts allein eine eigene entgegen, die sie für zutreffend ansieht. Dazu benutzt sie Hilfstatsachen, denen sie eine Bedeutung zuweist, die gerade der Würdigung des Tatrichters unterliegen.

6. Die Beschwerde hält es für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, „ob und inwieweit bei Vorliegen eines schriftlichen Bauantrages neben den in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstigen Anlagen auch mündliche Absprachen der Beteiligten zu berücksichtigen und bei der Bewertung des Verhältnisses von zwei nebeneinander stehenden Baugenehmigungen zumindest ausnahmsweise zu berücksichtigen sind”. Die so gestellte Frage ist unzulässig, da sie ersichtlich keine Frage des revisiblen Rechts betrifft (vgl. §§ 137, 173 VwGO, § 562 ZPO). Die Beschwerde verweist selbst auf das im Bauordnungsrecht niedergelegte Schriftformerfordernis.

7. Die Ausführungen der Beschwerde zur Anwendung des § 1 Abs. 9 BauNVO lassen einen gesetzlichen Zulassungsgrund nicht erkennen. Das Vorbringen erschöpft sich in einer inhaltlichen Kritik an der rechtlichen Beurteilung durch das Normenkontrollgericht. Soweit die Beschwerde eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung darin sehen will, ob und ggf. welche städtebaulichen Gründe einen Ausschluss von Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden in einem Gewerbegebiet rechtfertigen, fehlt es jedenfalls an der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat sich wiederholt mit der Auslegung und der Anwendung des § 1 Abs. 9 BauNVO beschäftigt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 = NVwZ 1987, 1074; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1989 – BVerwG 4 NB 26.89 – NVwZ-RR 1990, 229; Beschluss vom 29. Juli 1991 – BVerwG 4 B 80.91 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 13 = DÖV 1992, 30; Beschluss vom 21. Dezember 1992 – BVerwG 4 B 182.92 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 15 = BRS 55 Nr. 42; BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 31.98 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 25 = NVwZ-RR 1999, 9). Mit der erforderlichen Rechtfertigung durch „besondere städtebauliche Gründe” macht § 1 Abs. 9 BauNVO Festsetzungen nicht notwendig von erschwerten Voraussetzungen abhängig. Vielmehr ist hiernach nur erforderlich, aber auch ausreichend, dass es spezielle städtebauliche Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 a.a.O.). Bei diesem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfordert eine zulässige Grundsatzrüge die Darlegung, in welcher Richtung eine weitere Klärung erforderlich ist. An einem derartigen Vorbringen fehlt es.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Das Beschwerdegericht folgt der Streitwertbeurteilung des Normenkontrollgerichts.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Jannasch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI635146

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