Verfahrensgang

VG Halle (Saale) (Aktenzeichen 1 A 773/98 HAL)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. August 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 409 033,50 EUR (entspricht 800 000 DM) festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit zwei seine Entscheidung selbständig tragenden Begründungen abgewiesen: Der Rechtserwerb der Kläger sei als unredlich anzusehen, weil er nicht im Einklang mit den in der DDR geltenden Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen oder einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis gestanden habe und die Kläger dies gewusst oder hätten wissen müssen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Buchst. a VermG). Unabhängig davon ergebe sich eine Unredlichkeit der Kläger auch aus dem Vorliegen des Tatbestandes des § 4 Abs. 3 Buchst. c VermG, weil sie den Veräußerern eine unter dem Wert des Objekts liegende Gegenleistung aufgezwungen hätten. Ist aber ein Urteil auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich beider Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Liegt nur hinsichtlich einer Begründung ein Verfahrensmangel vor, kann nämlich die angefochtene Entscheidung hierauf nicht beruhen. Jedenfalls hinsichtlich der ersten Begründung liegt hier der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Verbindung mit seiner Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt.

Wurde die Erteilung einer Genehmigung zur Ausreise aus der DDR von der Veräußerung eines Grundstücks abhängig gemacht, liegt darin eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG. Dies und die damit verbundene Mitwirkung von nicht für das Wohnungswesen zuständigen staatlichen Stellen (z.B. dem Ministerium für Staatssicherheit) bei der Veräußerung führt noch nicht zu einem Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG gegen die in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätze und eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis. Ebenso führt allein die Kenntnis des Erwerbers von der Nötigung des Veräußerers nicht zur Unredlichkeit des Erwerbs (vgl. Beschluss vom 2. April 1993 – BVerwG 7 B 22.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 1). Hinzu kommen muss vielmehr, dass der Erwerb als solcher auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruht. Nach den im Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Rechtsvorschriften bedurfte die vertragliche Übertragung des Eigentums an dem Grundstück der Genehmigung (§ 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken – Grundstücksverkehrsverordnung – vom 15. Dezember 1977 – GBl 1978 S. 73 –). Die Genehmigung war zu versagen, wenn durch die Käufer die „gesellschaftlich effektive Nutzung des Grundstücks nicht gewährleistet wäre” (§ 3 Abs. 4 Buchst. a GVO). Hierzu legte üblicherweise die zuständige Abteilung für Wohnungspolitik dem für die Erteilung der Genehmigung zuständigen Liegenschaftsdienst eine wohnungspolitische Unbedenklichkeitserklärung vor. Die Abteilung für Wohnungspolitik musste u.a. prüfen, ob der Erwerb zu einer Überversorgung der Käufer mit Wohnraum führen würde (vgl. Urteil vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 C 3.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13 S. 47 ≪50 f.≫). Dass hier dieses nach den Rechtsvorschriften der DDR erforderliche Verfahren durchgeführt wurde, ergibt sich nicht aus den Verwaltungsvorgängen und ist von den Klägern auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Andererseits hat das Verwaltungsgericht in verfahrensfehlerfreier Weise festgestellt, dass das Ministerium für Staatssicherheit sich nicht nur – wie die Kläger vortragen – auf Seiten des Erwerbers zu dessen Unterstützung und damit aus Fürsorge gegenüber seinem Mitarbeiter betätigte, sondern auch intern Einfluss auf die zuständigen Stellen nahm. Dies hat das Gericht aus der Staatssicherheitsakte der Beigeladenen geschlossen, in der es heißt, es bestehe Übereinstimmung darüber, dass alle diesbezüglichen Interessen des MfS berücksichtigt würden, und dass ohne Abstimmung keine Vergaben erfolgten. Angesichts dessen ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, das MfS habe unter Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis Einfluss auf den Erwerbsvorgang genommen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hatte sich selbst an das Ministerium für Staatssicherheit wegen des Hauskaufs gewandt und um Unterstützung gebeten. Auch wenn ihm die interne Einflussnahme des Ministeriums auf den Erwerbsvorgang unbekannt gewesen sein mag, verletzt deshalb auch die Aussage des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe von dem Verstoß gewusst oder wissen müssen, nicht den Überzeugungsgrundsatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt haben und damit ein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten den Klägern aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 13, 14 und 73 Abs. 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Krauß, Golze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI706624

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