Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 92/43/EWG. Art. 6 Abs. 2 und 3. Fehlerhafte Umsetzung. Besondere Schutzgebiete. Erhebliche Auswirkungen eines Projekts auf die Umwelt. ‚Nicht störender’ Charakter bestimmter Tätigkeiten. Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Beteiligte

Kommission / Frankreich

Europäische Kommission

Französische Republik

 

Tenor

1. Die Französische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, indem sie

  • zum einen allgemein vorgesehen hat, dass Fischerei, Aquakultur, Jagd und andere waidmännische Tätigkeiten, die unter den nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen zulässigen Bedingungen und in den dort festgelegten Gebieten ausgeübt werden, keine Tätigkeiten darstellen, die störend sind oder derartige Auswirkungen haben, und
  • zum anderen die in den Natura-2000-Verträgen vorgesehenen Arbeiten, Gewerke oder Erschließungen grundsätzlich vom Verfahren der Verträglichkeitsprüfung befreit und
  • die anzeigepflichtigen Programme und Projekte für Arbeiten, Gewerke oder Erschließungen grundsätzlich von diesem Verfahren befreit.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Französische Republik trägt zwei Drittel und die Europäische Kommission ein Drittel der Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 2. Juni 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Recchia und J.-B. Laignelot als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und A.-L. During als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.-C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter C. W. A. Timmermans, K. Schiemann, P. Kuris und L. Bay Larsen (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Juni 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, dass sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie erforderlich sind.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Nach Art. 2 Abs. 3 der Habitatrichtlinie tragen die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.

Rz. 3

Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Habitatrichtlinie bestimmt:

„(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

…”

Nationales Recht

Rz. 4

Art. L. 414-1 Abs. V des Code de l'environnement (Umweltgesetzbuch) lautet:

„Die Natura-2000-Gebiete sind Gegenstand von Maßnahmen, die die natürlichen Lebensräume und die Populationen wildlebender Tier- und Pflanzenarten, die die Ausweisung dieser Gebiete gerechtfertigt haben, in einem für einen langfristigen Fortbestand günstigen Erhaltungszustand bewahren oder die...

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