Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Zulässigkeit. Streitgegenstand. Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Fehlender Klagegegenstand. Rechtssicherheit und berechtigtes Vertrauen der Projektträger. Richtlinie 85/337/EWG. Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten. Projekt ‚White City’. Projekt ‚Crystal Palace’. Projekte des Anhangs II der Richtlinie 85/337. Verpflichtung, die Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung zu unterziehen. Beweislast. Umsetzung der Richtlinie 85/337 in nationales Recht. Mehrstufige Genehmigung

 

Beteiligte

Kommission / Vereinigtes Königreich

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

 

Tenor

1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, dass es die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 geänderten Fassung durch die nationale Regelung, wonach beim Bauvorbescheid mit späterer Genehmigung der vorbehaltenen Punkte eine Prüfung nur während der ersten Stufe der Erteilung dieses Bescheids und nicht mehr während der späteren Stufe der Genehmigung der vorbehaltenen Punkte durchgeführt werden kann, nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 1. Dezember 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Simonetti und X. Lewis als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von D. Elvin, QC, und J. Maurici, Barrister,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter E. Juhász und E. Levits,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2005,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission, festzustellen,

  • dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) verstoßen hat, dass es die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 dieser Richtlinie auf die Städtebauprojekte in White City und Crystal Palace, die unter Punkt 10 Buchstabe b des Anhangs II der Richtlinie fallen, falsch angewandt hat;
  • dass dieser Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337 in der geänderten Fassung) verstoßen hat, dass er nicht für die richtige Anwendung der Artikel 2 Absatz 1, 4 Absatz 2, 5 Absatz 2 und 8 dieser Richtlinie für den Fall gesorgt hat, dass die Baugenehmigung in einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren erteilt wird.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Mit der Richtlinie 85/337 sollen nach ihrer fünften Begründungserwägung zur Ergänzung und Koordinierung der Genehmigungsverfahren für öffentliche und private Projekte, die möglicherweise Auswirkungen auf die Umwelt haben, allgemeine Grundsätze für Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgestellt werden.

3 Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie definiert den Begriff „Genehmigung” als „Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält”.

4 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.

Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.”

5 Artikel 4 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Projekte der in Anhang I aufgeführten Klassen werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen werden einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erforde...

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