Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsschutzversicherung. Freie Wahl des Rechtsanwalts durch den Versicherungsnehmer. Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Begriff. Von einer Verwaltungsstelle einem Arbeitgeber erteilte Genehmigung zur Auflösung eines Arbeitsvertrags

 

Normenkette

Richtlinie 87/344/EWG Art. 4 Abs. 1

 

Beteiligte

Massar

Johannes Evert Antonius Massar

DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV

 

Tenor

Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung ist dahin auszulegen, dass ein Verfahren, in dem eine Verwaltungsstelle dem Arbeitgeber erlaubt, dem (rechtsschutzversicherten) Arbeitnehmer zu kündigen, unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff „Verwaltungsverfahren” fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande, Niederlande) mit Entscheidung vom 3. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Oktober 2014, in dem Verfahren

Johannes Evert Antonius Massar

gegen

DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet und E. Levits,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Massar, vertreten durch L. M. Zuydgeest und E. van Engelen, advocaten,
  • der DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV, vertreten durch J. W. H. van Wijk und B. J. Drijber, advocaten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Ree und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (ABl. L 185, S. 77).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Massar und der DAS Nederlandse Rechtsbijstand Verzekeringsmaatschappij NV (im Folgenden: DAS), einer Versicherungsgesellschaft, wegen deren Weigerung, die Kosten für rechtlichen Beistand durch den vom Versicherungsnehmer gewählten Rechtsanwalt in einem zur Auflösung des Arbeitsvertrags des Versicherungsnehmers führenden Verfahren zu übernehmen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 87/344 lautet:

„Das Interesse des Rechtsschutzversicherten setzt voraus, dass Letzterer selbst seinen Rechtsanwalt oder eine andere Person wählen kann, die die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren anerkannten Qualifikationen besitzt, und zwar immer, wenn es zu einer Interessenkollision kommt.”

Rz. 4

Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für die Rechtsschutzversicherung. Diese besteht darin, dass gegen Zahlung einer Prämie die Verpflichtung eingegangen wird, die Kosten des Gerichtsverfahrens zu übernehmen und andere sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Leistungen zu erbringen, insbesondere um

  • dem Versicherten den Schaden auf außergerichtlichem Wege oder durch ein Zivil- oder Strafverfahren zu ersetzen,
  • den Versicherten in einem Zivil-, Straf-, Verwaltungs- oder anderen Verfahren oder im Fall einer gegen ihn gerichteten Forderung zu verteidigen oder zu vertreten.”

Rz. 5

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344 lautet wie folgt:

„In jedem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ist ausdrücklich anzuerkennen, dass

  1. wenn ein Rechtsanwalt oder eine sonstige nach dem nationalen Recht entsprechend qualifizierte Person in Anspruch genommen wird, um in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren den Versicherten zu verteidigen, zu vertreten oder seine Interessen wahrzunehmen, dem Versicherten die Wahl des Rechtsanwalts oder der sonstigen Person freisteht;
  2. der Versicherte einen Rechtsanwalt oder, wenn er es vorzieht, und soweit das nationale Recht dies zulässt, eine andere entsprechend qualifizierte Person frei wählen kann, die seine Interessen vertritt, wenn eine Interessenkollision entsteht.”

Niederländisches Recht

Rz. 6

In Art. 4:67 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzaufsicht (Wet op het financieel toezicht) heißt es:

„Der Rechtsschutzversicherer trägt dafür Sorge, dass in dem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist, dass dem Versicherungsnehmer die Wahl eines Rechtsanwalts oder einer anderen rechtlich befugten sachkundigen Person freisteht, wenn

a. ein Rechtsanwalt oder eine andere rechtlic...

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