Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Aufträge. Richtlinie 2004/18/EG. Konzession für Gemeinwohldienstleistungen. Rettungsdienste. Unterscheidung zwischen ‚öffentlichem Dienstleistungsauftrag’ und ‚Dienstleistungskonzession’

 

Beteiligte

Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler

Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler

Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau

 

Tenor

Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen, bei dem die Vergütung des ausgewählten Wirtschaftsteilnehmers vollumfänglich durch Personen sichergestellt wird, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag vergeben hat, verschieden sind, und dieser Wirtschaftsteilnehmer insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Höhe der Benutzungsentgelte für die betreffenden Dienstleistungen vom Ergebnis jährlicher Verhandlungen mit Dritten abhängt und er keine Gewähr für die vollständige Deckung der im Rahmen seiner nach den Grundsätzen des nationalen Rechts durchgeführten Tätigkeiten angefallenen Kosten hat, einem, wenn auch nur erheblich eingeschränkten, Betriebsrisiko ausgesetzt ist, als vertragliche „Dienstleistungskonzession” im Sinne von Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie zu qualifizieren ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2009, in dem Verfahren

gegen

Beigeladene:

Malteser Hilfsdienst e. V.,

Bayerisches Rotes Kreuz,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter D. Šváby, E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Privaten Rettungsdienstes und Krankentransports Stadler, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Stolz und P. Kraus,
  • des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Kuffer und D. Bens,
  • des Malteser Hilfsdienst e. V., vertreten durch Rechtsanwalt W. Schmitz-Rode,
  • des Bayerischen Roten Kreuzes, vertreten durch Rechtsanwalt E. Rindtorff,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch S. Johannesson als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra und G. Wilms als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d sowie Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Privaten Rettungsdienst und Krankentransport Stadler (im Folgenden: Rettungsdienst Stadler) und dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau (im Folgenden: Zweckverband Passau) über die Vergabe von Dienstleistungsverträgen im Bereich des Rettungsdienstes. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob diese Verträge als „Dienstleistungsaufträge” oder als „Dienstleistungskonzessionen” einzuordnen sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

„…

(2)

a) ‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d) ‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge’ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(4) ‚Dienstleistungskonzessionen’ sind Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

…”

Nationales Recht

Rz. 4

Das Bayerische Rettungsdienstgesetz (im Folgenden: BayRDG) ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Folgende Bestimmungen sind in der vorliegenden Rechtssache einschlägig.

„Art. 1 Gegenstand und Zielsetzung

Dieses Gesetz regelt Notfallrettung, arztbegleiteten...

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