Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Insolvenzanfechtungsklage. Anfechtungsgegner mit Wohnsitz in einem Drittstaat. Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000

 

Beteiligte

Schmid

Ralph Schmid

Lilly Hertel

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juli 2012, in dem Verfahren

Ralph Schmid als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Aletta Zimmermann

gegen

Lilly Hertel

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Schmid als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Frau Zimmermann, vertreten durch Rechtsanwalt G. S. Mohnfeld,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. September 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1, im Folgenden: Verordnung).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Schmid als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Frau Zimmermann (im Folgenden: Schuldnerin) und Frau Hertel wegen einer Insolvenzanfechtungsklage.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2 bis 4, 8, 12 und 14 der Verordnung heißt es:

„(2) Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich …

(3) Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen greift mehr und mehr über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus und unterliegt damit in zunehmendem Maß den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Da die Insolvenz solcher Unternehmen auch nachteilige Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts hat, bedarf es eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, der eine Koordinierung der Maßnahmen in Bezug auf das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners vorschreibt.

(4) Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts muss verhindert werden, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. ‚forum shopping’).

(8) Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt.

(12) Diese Verordnung gestattet die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen. …

(14) Diese Verordnung gilt nur für Verfahren, bei denen der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Gemeinschaft liegt.”

Rz. 4

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Diese Verordnung gilt für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben.”

Rz. 5

Art. 3 („Internationale Zuständigkeit”) der Verordnung bestimmt in seinem Abs. 1:

„Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. …”

Rz. 6

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, bewe...

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