Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Besondere Zuständigkeit für Verfahren, die eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung zum Gegenstand haben. Verletzung von Rechten einer juristischen Person durch die Veröffentlichung von als unrichtig gerügten Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare. Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs. Mittelpunkt der Interessen dieser Person

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nr. 2

 

Beteiligte

Bolagsupplysningen und Ilsjan

Bolagsupplysningen OÜ

Ingrid Ilsjan

Svensk Handel AB

 

Tenor

1. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen Mitgliedstaat verklagen.

2. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, nicht vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die im Internet veröffentlichten Informationen zugänglich sind oder waren, eine Klage auf Richtigstellung der Angaben und Entfernung der Kommentare erheben kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Riigikohus (Oberster Gerichtshof, Estland) mit Entscheidung vom 23. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2016, in dem Verfahren

Bolagsupplysningen OÜ,

Ingrid Ilsjan

gegen

Svensk Handel AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, J. L. da Cruz Vilaça, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, J.-C. Bonichot und M. Safjan (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Bolagsupplysningen OÜ und von Frau Ilsjan, vertreten durch K. Turk und K. Tomson, vandeadvokaadid, sowie von A. Prants und M. Pild, advokaadid,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi und N. Grünberg als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und S. Duarte Afonso als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Kraehling und C. Crane als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, M. Heller und E. Randvere als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bolagsupplysningen OÜ und Frau Ingrid Ilsjan auf der einen Seite und der Svensk Handel AB auf der anderen Seite wegen Anträgen auf Richtigstellung als unrichtig gerügter Angaben auf der Website von Svensk Handel, auf Entfernung von sich darauf beziehenden Kommentaren im Diskussionsforum der Website und auf Schadensersatz.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 15 und 16 der Verordnung Nr. 1215/2012 lauten:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ...

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