Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Familienzusammenführung. Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung. Feste, regelmäßige und ausreichende Einkünfte. Nationale Regelung, die eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit erlaubt, dass dem Zusammenführenden seine Einkünfte weiterhin zur Verfügung stehen werden. Zulässigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 2003/86/EG Art. 7 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

Khachab

Mimoun Khachab

Subdelegación de Gobierno en Álava

 

Tenor

Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Obergericht für das Baskenland, Spanien) mit Entscheidung vom 5. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2014, in dem Verfahren

Mimoun Khachab

gegen

Subdelegación de Gobierno en Álava

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Lycourgos (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F.-X. Bréchot als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch G. Szima und Z. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Dezember 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Khachab und der Subdelegación del Gobierno en Álava (Regierungsbehörde für die Provinz Álava; im Folgenden: Regierungsbehörde) wegen der Ablehnung des Antrags von Herrn Khachab, seiner Ehegattin einen befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung zu erteilen.

Rechtlicher Rahmen

Recht der Europäischen Union

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 4 und 6 der Richtlinie 2003/86 lauten:

„(2) Maßnahmen zur Familienzusammenführung sollten in Übereinstimmung mit der Verpflichtung zum Schutz der Familie und zur Achtung des Familienlebens getroffen werden, die in zahlreichen Instrumenten des Völkerrechts verankert ist. Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und berücksichtigt die Grundsätze, die insbesondere in Artikel 8 der [am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten] Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta] anerkannt wurden.

(4) Die Familienzusammenführung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Familienleben möglich ist. Sie trägt zur Schaffung soziokultureller Stabilität bei, die die Integration Drittstaatsangehöriger in dem Mitgliedstaat erleichtert; dadurch wird auch der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt gefördert, der als grundlegendes Ziel der [Europäischen] Gemeinschaft im [EG-]Vertrag aufgeführt wird.

(6) Zum Schutz der Familie und zur Wahrung oder Herstellung des Familienlebens sollten die materiellen Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Rechts auf Familienzusammenführung nach gemeinsamen Kriterien bestimmt werden.”

Rz. 4

Nach Art. 1 der Richtlinie 2003/86 ist „Ziel dieser Richtlinie … die Festlegung der Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhalten”.

Rz. 5

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie findet Anwendung, wenn der Zusammenführende im Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels mit mindestens einjähriger Gül...

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