Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Auslegung der Artikel 10 EG und 43 EG. Eintragung in die Architektenliste der Architektenkammer. Zugang zum Architektenberuf. Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr. Gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen

 

Beteiligte

Dreessen

Nicolas Dreessen

 

Tenor

Die Cour de Cassation hat mit Entscheidung vom 21. Januar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Februar 2000, nach Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 10 EG und 43 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Nicolas Dreessen (im Folgenden: Kläger) und dem Conseil national de l'ordre des architectes (im Folgenden: Conseil national) über die Eintragung des Klägers in die Architektenliste der Architektenkammer der Provinz Lüttich.

Artikel 43 EG ist dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen ein Gemeinschaftsbürger einen Antrag auf Zulassung zu einem Beruf stellt, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation oder von Zeiten praktischer Erfahrung abhängt, sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise berücksichtigen müssen, dass sie die durch diese Befähigungsnachweise und diese Erfahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen, selbst wenn eine Richtlinie für die gegenseitige Anerkennung der Diplome für den betreffenden Beruf erlassen worden ist, die Anwendung dieser Richtlinie aber nicht zur automatischen Anerkennung des oder der Befähigungsnachweise des Antragstellers führen kann.

 

Gründe

Rechtlicher Rahmen

1.

Die Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 223, S. 15) sieht die automatische Anerkennung bestimmter Befähigungsnachweise im Rahmen von zwei unterschiedlichen Systemen vor.

2.

Zum einen wird durch die Artikel 2 bis 9 der Richtlinie 85/384, die das Kapitel II Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die den Zugang zu den Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur unter der Berufsbezeichnung ”Architekt” eröffnen bilden, ein allgemeines System der automatischen gegenseitigen Anerkennung aller Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur geschaffen, die die in diesen Vorschriften festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Artikel 2 bestimmt: Jeder Mitgliedstaat erkennt die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausstellen und die durch eine den Anforderungen der Artikel 3 und 4 genügende Ausbildung erworben wurden, an.

3.

Zum anderen wird durch die Artikel 10 bis 15 der Richtlinie 85/384, die das Kapitel III Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die aufgrund erworbener Rechte oder bestehender einzelstaatlicher Vorschriften Zugang zu den Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur eröffnen bilden, eine Übergangsregelung für die gegenseitige Anerkennungbestimmter abschließend aufgezählter Befähigungsnachweise geschaffen. Artikel 10 bestimmt: Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 11 genannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise an, welche die anderen Mitgliedstaatenden Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausstellen, die bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie im Besitzdieser Qualifikationen sind oder Studiengänge begonnen haben, die zum Erwerb solcher Diplome, Prüfungszeugnisse oderanderer Befähigungsnachweise spätestens am Ende des dritten Studienjahres nach dieser Bekanntgabe berechtigen, selbst wenn sie den Mindestanforderungen der in Kapitel II genannten Ausbildungsnachweise nicht genügen. Das Jahr, auf das sich diese Vorschrift bezieht, ist das Studienjahr 1987/88.

4.

Zu den deutschen Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen, die aufgrund der zweiten Regelung anerkannt werden können, gehören nach Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384 die Prüfungszeugnisse, die vor dem 1. Januar 1973 in den Studiengängen für Architektur von den Ingenieurschulen ausgestellt worden sind, zusammen mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörden, dass der Betreffende eine Prüfung aufgrund von Befähigungsnachweisen gemäß Artikel 13 dieser Richtlinie bestanden hat.

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfrage

5.

Der Kläger, ein belgischer Staatsangehöriger, ist Inhaber eines Ingenieurdiploms, das in Deutschland am 16. Februar 1966 von der Staatlichen...

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