Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Umwelt. Richtlinie 92/43/EWG. Art. 6 Abs. 3. Besondere Schutzgebiete. Prüfung der Verträglichkeit von Plänen oder Projekten, die das geschützte Gebiet erheblich beeinträchtigen können. Befreiung anmeldepflichtiger Programme und Projekte von der Verträglichkeitsprüfung. Nicht ordnungsgemäße Umsetzung

 

Beteiligte

Kommission / Belgien

Europäische Kommission

Königreich Belgien

 

Tenor

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, dass die belgischen Rechtsvorschriften für bestimmte Tätigkeiten, die einer Anmelderegelung unterliegen, keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorschreiben, wenn die Tätigkeiten ein Natura-2000-Gebiet beeinträchtigen können.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 21. Dezember 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Recchia und A. Marghelis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, dass die belgischen Rechtsvorschriften für bestimmte Tätigkeiten, wenn diese ein Natura-2000-Gebiet beeinträchtigen können, keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorschreiben und für bestimmte Tätigkeiten eine Anmelderegelung vorsehen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Nach Art. 2 Abs. 1 der Habitatrichtlinie hat diese zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der AEU-Vertrag Geltung hat, beizutragen.

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Es wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung ‚Natura 2000’ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

…”

Rz. 4

In Art. 4 der Richtlinie sind das Verfahren zur Schaffung des Netzes „Natura 2000” und die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete durch die Mitgliedstaaten geregelt.

Rz. 5

Art. 6 Abs. 2 und 3 der Habitatrichtlinie nennt die Erhaltungsmaßnahmen für die genannten Gebiete:

„(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.”

Nationales Recht

Rz. 6

Art. 28 § 2 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur (Moniteur belge vom 11. September 1973, S. 10306) in der durch das Dekret der Wallonischen Region vom 22. Mai 2008 (Moniteur belge vom 17. Juni 2008, S. 31074) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Erhaltung der Natur) lautet:

„Die allgemeinen Verbote, die innerhalb oder gegebenenfalls außerhalb der Natura-2000-Gebiete anwendbar sind, sowie alle sonstigen Präventivmaßnahmen, die innerhalb oder gegebenenfalls auße...

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