Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Rechtshängigkeit. Zuständigkeitsvereinbarung. Feststellung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts aufgrund rügeloser Einlassung der Parteien oder aufgrund des Erlasses einer endgültigen Entscheidung

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 27 Abs. 2; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 24

 

Beteiligte

Cartier parfums-lunettes und Axa Corporate Solutions Assurance

Cartier parfums – lunettes SAS

Axa Corporate Solutions assurances SA

Ziegler France SA

Montgomery Transports SARL

Inko Trade s.r.o

Jaroslav Matěja

Groupama Transport

 

Tenor

Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass davon auszugehen ist, dass die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts, wenn nicht eine ausschließliche Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts nach dieser Verordnung besteht, im Sinne dieser Vorschrift feststeht, wenn sich dieses Gericht nicht von Amts wegen für unzuständig erklärt hat und keine der Parteien seine Zuständigkeit vor oder mit der Stellungnahme, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen zur Sache vor diesem Gericht anzusehen ist, gerügt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2013, in dem Verfahren

Cartier parfums - lunettes SAS,

Axa Corporate Solutions assurances SA

gegen

Ziegler France SA,

Montgomery Transports SARL,

Inko Trade s.r.o.,

Jaroslav Matěja,

Groupama Transport

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Cartier parfums – lunettes SAS, vertreten durch A.-F. Roger und A. Sevaux, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Jametti als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Lejeune und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cartier parfums – lunettes SAS (im Folgenden: Cartier) und der Axa Corporate Solutions assurances SA (im Folgenden: Axa assurances) einerseits und der Ziegler France SA (im Folgenden: Ziegler France), der Montgomery Transports SARL (im Folgenden: Montgomery Transports), der Inko Trade s.r.o. (im Folgenden: Inko Trade), Jaroslav Matěja und Groupama Transport andererseits über den Ersatz des Schadens, der Cartier und Axa assurances bei einem internationalen Straßengütertransport durch einen Diebstahl von Waren entstanden ist.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 3

Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es, dass „[d]ie Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen … das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts [erschweren]. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.

Rz. 4

Der 15. Erwägungsgrund dieser Verordnung lautet:

„Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden.”

Rz. 5

Art. 24 in Abschnitt 7 („Vereinbarung übe...

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