Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Warenverkehr. Artikel 28 EG und 30 EG. Nationale Regelung, nach der es verboten ist, ohne vorherige Erlaubnis nicht denaturierten Äthylalkohol mit mehr als 80 Vol.-% einzuführen. Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung. Rechtfertigung mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und Ordnung

 

Beteiligte

Ahokainen und Leppik

Jan-Erik Anders Ahokainen

Mati Leppik

 

Tenor

Die Artikel 28 EG und 30 EG stehen einer Regelung, wie sie im Gesetz Nr. 1143/1994 über Alkohol (alkoholilaki [1143/1994]) vorgesehen ist und mit der die Einfuhr von nicht denaturiertem Äthylakohol mit einem Alkoholgehalt von mehr als 80 Vol.-% von einer vorherigen Erlaubnis abhängig gemacht wird, nicht entgegen, sofern sich nicht erweist, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit und der öffentlichen Ordnung vor schädlichen Auswirkungen des Alkohols unter den rechtlichen und tatsächlichen Umständen, die die Lage in dem betroffenen Mitgliedstaat kennzeichnen, durch Maßnahmen gewährleistet werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beeinträchtigen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Korkein oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Oktober 2004, in dem Strafverfahren gegen

Jan-Erik Anders Ahokainen,

Mati Leppik

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter), A. Borg Barthet, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Virallinen syyttäjä (Staatsanwaltschaft), vertreten durch M. Illman, Staatsanwalt beim Gericht des ersten Rechtszugs von Raasepori,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä und E. Bygglin als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und P. Aalto als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 28 EG und 30 EG und ergeht in einem Strafverfahren gegen die Herren Ahokainen und Leppik wegen Schmuggels von Äthylakohol nach Finnland.

Rechtlicher Rahmen

2 Das Gesetz Nr. 1143/1994 über den Alkohol (alkoholilaki [1143/1994], im Folgenden: Alkoholgesetz) bezweckt nach seinem Artikel 1, den Alkoholkonsum zu regeln, um den schädlichen Auswirkungen alkoholhaltiger Stoffe auf die Gesundheit und die Gesellschaft vorzubeugen.

3 Nach § 3 Absatz 2 des Alkoholgesetzes in der durch das Gesetz Nr. 1/2001 geänderten Fassung wird unter einem „alkoholischen Getränk” jedes zum menschlichen Genuss bestimmte Getränk verstanden, das höchstens 80 Vol.-% Äthylalkohol enthält.

4 Das Alkoholgesetz definiert Weingeist, der nicht als konsumierbares alkoholisches Getränk angesehen wird, als nicht denaturierten Äthylalkohol oder nicht denaturierten Äthylalkohol in wässriger Lösung mit mehr als 80 Vol.-% Alkohol.

5 Die betreffende Regelung sieht u. a. vor, dass Verwendung, Herstellung und Einfuhr von Weingeist den Inhabern einer zu diesem Zweck erteilten Erlaubnis vorbehalten sind.

6 § 8 des Alkoholgesetzes regelt die gewerbliche Einfuhr von alkoholischen Getränken und Äthylalkohol sowie die Einfuhrerlaubnis für Äthylalkohol. Nach § 8 Absatz 1 dürfen alkoholische Getränke sowohl für den eigenen Verbrauch als auch zu gewerblichen Zwecken ohne besondere Einfuhrerlaubnis eingeführt werden. Ein Gewerbetreibender darf gemäß § 8 Absatz 2 Nummer 1 Weingeist einführen, wenn er vom Tuotevalvontakeskus (Amt für Warenkontrolle) eine Einfuhrerlaubnis erhalten hat. Ein nicht gewerblich Tätiger darf nach § 8 Absatz 2 Nummer 2 für den eigenen Verbrauch Weingeist einführen, wenn er gemäß § 17 vom Amt für Warenkontrolle eine Erlaubnis erhalten hat, nachdem er beim Amt eine Erklärung abgegeben hat, die ihn als Importeur ausweist.

7 Um eine Erlaubnis für die Verwendung von Weingeist zu erhalten, muss der Antragsteller einen nachgewiesenen Bedarf angeben (§ 17 Absatz 3 Alkoholgesetz).

8 Nach § 82 des Gesetzes Nr. 459/1968 über den Alkohol – das durch das Alkoholgesetz abgelöst wurde, soweit es nicht um Sanktionen geht – wird wegen Schmuggels alkoholhaltiger Stoffe bestraft, wer alkoholische Getränke oder Weingeist illegal einführt oder ausführt oder einzuführen oder auszuführen versucht.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

9 Am 1. August 2002 wurden bei einer Zollkontrolle in Finnland in einem aus Deutschland kommenden Lastkraftwagen 9 492 Liter Weingeist (Äthylakohol mit 96,4 bis 96,5 Vol.-%) entdeckt, der in Literflaschen abgefüllt...

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