Leitsatz (amtlich)

1. Zur ausschließlichen Zuständigkeit nach § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO im Falle eines Beitritts zu einem Immobilienfonds.

2. Zur Zuständigkeit nach § 22 ZPO im Falle mittelbarer Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft.

3. Zur ausnahmsweisen Verneinung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen richterlicher Willkür.

 

Normenkette

ZPO §§ 22, 29c Abs. 1 S. 2, § 281 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Berlin

 

Tenor

Das LG Berlin wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Das LG Berlin und das LG Bielefeld streiten über die örtliche Zuständigkeit für ein Verfahren, in welchem die Klägerin - ein geschlossener Immobilienfonds - die Beklagten - zwei Fondsanleger - auf Erfüllung von Nachschusspflichten in Anspruch nimmt. Der Fonds hat seinen Sitz in Berlin; die Beklagten haben ihren Wohnsitz in Bielefeld. Die Klage wurde vor dem LG Berlin erhoben. Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines Haustürgeschäftes i.S.v. § 29c Abs. 1 ZPO, § 312 BGB trugen die Parteien, auch nach gerichtlicher Auflage, nicht konkret vor. Die Klägerin hat in etwa 170 Parallelsachen ebenfalls Nachschusspflichten gegenüber Fondsanlegern vor dem LG Berlin geltend gemacht. Mit mehrseitig begründetem Beschluss vom 25.3.2008 erklärte sich das LG Berlin nach Anhörung der Parteien und auf Antrag der Klägerin für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Bielefeld. Es ist der Auffassung, das LG Bielefeld sei gem. § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO ausschließlich örtlich zuständig. Mit Beschluss vom 8.4.2008 lehnte das LG Bielefeld die Übernahme des Rechtsstreits ab. Es ist der Auffassung, dass LG Berlin sei gem. § 22 ZPO zuständig; § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO greife nicht ein.

II.1. Das KG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich die LG Berlin und Bielefeld mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für örtlich unzuständig erklärt haben.

2. Das LG Berlin ist gem. § 22 ZPO örtlich zuständig. Denn die Klägerin ist eine von dieser Vorschrift erfasste Personenhandelsgesellschaft (vgl. Vollkommer in Zöller, 26. Aufl. 2007, § 22 Rz. 2, § 17 Rz. 5) mit Sitz in Berlin, die einen Anspruch gegen die Beklagten als ihre Gesellschafter geltend macht. Dabei ist der Umstand, dass die Klägerin eine überregional tätige Publikumsgesellschaft mit einer Vielzahl von Anlegern ist, genauso unerheblich (vgl. BGH NJW 1980, 343; Vollkommer in Zöller, a.a.O.) wie der Umstand, dass die Beklagte nicht selbst, sondern vermittels eines Treuhänders in das Handelsregister als Gesellschafter eingetragen sind (Gieseke, DB 1984, 970 [972-973]; unausgesprochen ebenso BayObLG NJW-RR 2002, 1684).

Die Zuständigkeit des LG Berlin nach § 22 ZPO ist auch nicht in Folge Eingreifens der Zuständigkeitsnorm des § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a) Im Ausgangspunkt ist - wie beide LG nicht verkennen - die Zuständigkeitsprüfung gem. § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen vorzunehmen, und zwar auf Grundlage des Sachvortrages des Klägers (Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 29c Rz. 14; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 29c Rz. 9; allg. M.), der gerichtsbekannten Tatsachen (Roth in Stein/Jonas, a.a.O.) und des Sachvortrages des Beklagten, soweit dieser vom Kläger nicht bestritten wurde. Für letzteres spricht, dass gem. § 138 Abs. 3 ZPO das Nichtbestreiten dem zustimmenden bzw. eigenen Sachvortrag der nichtbestreitenden Partei generell gleich steht und dass kein Grund dafür ersichtlich ist, warum im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeitsnorm des § 29c Abs. 1 ZPO Abweichendes gelten sollte.

b) Auf dieser Grundlage ist vorliegend - wie beide LG wiederum zutreffend erkennen - nicht ohne weiteres anzunehmen, dass eine Haustürsituation vorlag, namentlich, dass die Beklagten mündlich im Bereich ihrer Privatwohnung über die Fondsbeitritte verhandelt haben und diese Situation zumindest mitursächlich für die letztlich erklärten Beitritte war (§ 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB). Denn zum einen wird von keiner Parteien behauptet, dass in der Privatwohnung der Beklagten eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Zum anderen lassen die insofern relevanten Indizien - d.h. der Umstand, dass die Beklagten ihre Beitrittserklärungen in ihrer Wohnsitzgemeinde unterzeichnet haben, der Umstand, dass die Klägerin die Beklagten auf ihre Widerrufsrechte gem. § 312 BGB hingewiesen hat und der Umstand, dass in einer Reihe von Parallelverfahren die dortigen Beklagten substantiiert, unter Beweisantritt und wohl unbestritten eine Haustürsituation behauptet haben - keinen zwingenden Schluss auf eine solche Verhandlung zu.

c) Aus der o.g. Grundlage (Buchstabe a.) kann auch keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Haustürsituation abgeleitet werden.

Zwar dürfte es in vielen Fällen so sein, dass die Zeichnung des Fondsbeitrittes unmittelbar im Anschluss an eine Beratungsgespräch vor Ort erfolgt (betr. den Umstand, dass der Erblasser seiner Beitritt...

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