Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine grundsätzliche Beiordnung eines Rechtsanwaltes in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Kindschaftssachen ist nicht generell schon wegen der Bedeutung der Statusfeststellung mit ihren weitreichenden Folgen für die Parteien grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen, sondern nur wenn dies nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist (§ 121 Abs. 2 Alternative 1 ZPO).

2. In einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung für denjenigen, der als Vater festgestellt werden soll, jedenfalls nicht, bevor nicht zumindest das zur positiven Vaterschaftsfeststellung ohnehin unerlässliche Abstammungsgutachten vorliegt.

3. Allein die üblichen Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten des Kindes durch das Jugendamt geben keinen Grund, dem Beklagten aus Gründen der Waffengleichheit in einem einfach gelagerten Kindschaftsverfahren von vornherein einen Rechtsanwalt beizuordnen.

4. Eine im Annexverfahren verfolgte Regelunterhaltsklage kann letztlich keine über die Vaterschaftsfeststellung als Grundlage hinausreichende Bedeutung haben, da möglicherweise beratungsbedürftige Einwendungen des Beklagten zu seiner Leistungsfähigkeit schon wegen § 653 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst im Rahmen einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend gemacht werden können.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 28.11.2006; Aktenzeichen 15 F 3854/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.09.2007; Aktenzeichen XII ZB 27/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten vom 22.12.2006 gegen den Beschluss des AG Pankow/Weißensee - FamG - vom 28.11.2006 zu 15 F 3854/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss ist dem Antrag des Beklagten, der von der am 17.2.1994 ehelich geborenen Klägerin nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft des (damaligen) Ehemannes der Kindesmutter mit Hilfe des Jugendamts auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelbetrags nach § 653 ZPO in Anspruch genommen wird, ihm Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im Feststellungsverfahren zu bewilligen, stattgegeben, sein Antrag vom 15.8.2006 aber, ihm auch seinen Dresdner Rechtsanwalt zu den im Schriftsatz vom 15.11.2006 näher spezifizierten Bedingungen beizuordnen, jedoch zurückgewiesen worden.

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig, da die Notfrist von einem Monat nach den §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingehalten ist.

Die Beschwerde des Beklagten ist allerdings unbegründet und mit den im Hinweis vom 12.1.2007 angesprochenen Kostenfolgen zurückzuweisen, da auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz vom 29.1.2007 nicht festgestellt werden kann, dass hier ausnahmsweise die Voraussetzungen zur Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO vorliegen.

Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine anwaltliche Vertretung der Parteien vor dem FamG in einem Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft oder deren Nichtbestehen gem. § 78 Abs. 2 ZPO nicht vorgeschrieben ist. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist regelmäßig auch nicht erforderlich, weil die in der zitierten Kommentierung von Zöller/Philippi (auch in 25. Aufl. zu § 121 ZPO Rz. 6) seit langem vertretene Auffassung, der sich auch andere OLG angeschlossen haben (zuletzt OLG Frankfurt in NJW 2007, 230 ff.), von dem für Kindschaftssachen in Berlin zuständigen 3. Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur FamRZ 1994, 1937 m.w.N. NJW-FER 1997, 209 m.w.N.) jedenfalls nicht in der Allgemeinheit geteilt wird, wonach in Kindschaftssachen generell schon wegen der Bedeutung der Statusfeststellung mit ihren weitreichenden Folgen für die Parteien grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen sei.

Ob eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheint, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles, wobei Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie die Person des Antragstellers, insbesondere seine Gewandtheit zu berücksichtigen sind, sodass es auch in Kindschaftssachen stets einer am Maßstab des § 121 Abs. 2 Alternative 1 ZPO orientierten Einzelfallprüfung bedarf (so auch z.B. OLG Köln, FamRZ 1995, 1126; OLG Schleswig, FamRZ 1993, 197; OLG Schleswig, FamRZ 1993, 197; OLG Schleswig v. 23.9.2002 - 13 WF 103/02, OLGReport Schleswig 2002, 480 = MDR 2003, 393).

Gerade in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich eine Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung für denjenigen, der als Vater festgestellt werden soll, jedenfalls nicht, bevor nicht zumindest das zur positiven Vaterschaftsfeststellung ohnehin unerlässliche Abstammungsgutachten vorliegt, das nach derzeitigem Stand der Wissenschaft regelmäßig auch zu ganz eindeutigen und selbst bei Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung unangreifbaren Feststellungen führt; ob für Vaterschaftsanfechtungsverfahren wegen der dort zu beachtenden besonderen Fristenproblematik oder in sonstigen Kindschaftssachen eine Anwaltsbeiord...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge