Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266a; InsO § 130

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 466/00)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 22.1.2001 verkündete Urteil des LG Berlin – 24 O 466/00 – wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 28 % und der Beklagte 72 %; von denen der zweiten Instanz die Klägerin 25 % und der Beklagte 75 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 (a.F.) ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt in dem nach teilweiser Rücknahme der Klage verbliebenen Umfang ohne Erfolg. Der Beklagte ist als Geschäftsführer gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266a, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB verpflichtet, der Klägerin Ersatz für die von der A.H. GmbH vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge für Januar und Februar 1999 zu leisten. Die vorenthaltenen Beträge von unstreitig 4.406,95 DM für Januar 1999 und 4.257,38 DM für Februar 1999 waren satzungsgemäß jeweils am 15. des Folgemonats fällig. Der Beklagte schuldet als Schadensersatz gem. § 249 BGB die Zahlung des mit Schreiben vom 23.3.2000 vergeblich angemahnten Betrages i.H.v. 8.664,33 DM nebst 4 % Verzugszinsen seit dem 10.4.2000, §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB (a.F.).

1. Im Ergebnis zu Recht hat das LG die für eine Haftung erforderliche Voraussetzung bejaht, dass die GmbH als Beitragsschuldnerin über die finanziellen Mittel zur Erfüllung der Verpflichtung zu den Fälligkeitszeitpunkten verfügte (vgl. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 327/95, GmbHR 1997, 29 = MDR 1997, 145 = NJW 1997, 133).

a) Allerdings hat das LG irrtümlich angenommen, die Firmenkonten der GmbH hätten am 15.2.1999 noch ein die Klageforderung übersteigendes Guthaben aufgewiesen. Tatsächlich war das Konto der GmbH bei der Berliner Bank am 15.2.1999 mit 84.602 DM im Soll, während das Konto bei der Bank für Gemeinwirtschaft lediglich ein Guthaben von 539 DM aufwies. Die Zahlungsfähigkeit setzte jedoch kein Guthaben auf dem Geschäftskonto voraus. Sie war auch dann gegeben, wenn der GmbH ein Kreditrahmen bei der Bank zur Verfügung stand, der zur Erfüllung der streitgegenständlichen Verpflichtung ausreichte (vgl. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 327/95, GmbHR 1997, 29 = MDR 1997, 145 = NJW 1997, 133 [134]; v. 16.5.2000 – VI ZR 90/99, MDR 2000, 953 = NJW 2000, 2993). Das war hier der Fall.

aa) Das LG hat zur Zahlungsfähigkeit der A.H. GmbH keine weiteren Feststellungen getroffen, da es Sache des Beklagten sei, das Unvermögen zur Zahlung darzulegen und zu beweisen. Der Vortrag des Beklagten lasse die dazu erforderliche Darlegung vermissen, er habe sich – und zwar bereits bei Eintritt der Krisensituation – um die Zahlung der Beiträge „wenn auch ohne Erfolg” bemüht.

Der BGH hat in der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils ergangenen Entscheidung vom 11.12.2001 (BGH v. 11.12.2001 – VI ZR 350/00, MDR 2002, 515 = BGHReport 2002, 370 = NJW 2002, 1123) jedoch klargestellt, dass es sich bei der Zahlungsfähigkeit insoweit, als sie die Möglichkeit eines normgemäßen Verhaltens betrifft, um eine tatbestandliche Voraussetzung des § 266a StGB handelt, für deren Vorliegen der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trägt; eine Umkehr der Beweislast findet nicht statt. Dem Sozialversicherungsträger ist es weder unzumutbar noch von vornherein unmöglich, den Beweis der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers zu erbringen, wozu bei einem sich anschließenden Insolvenzverfahren ihm sowohl die Auskünfte des Insolvenzverwalters als auch die Ergebnisse eines regelmäßig eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. Reck, ZInsO 2002, 16 zu I) verhelfen.

Die vom LG angeführte – sog. sekundäre – Darlegungslast des Beitragsschuldners setzt demnach einen schlüssigen Vortrag zur Haftungsbegründung voraus und besagt, dass es in diesem Falle dem in Anspruch Genommenen obliegt, diesen Vortrag substantiiert zu bestreiten und die in seinem Wahrnehmungsbereich liegenden entlastenden Umstände im Einzelnen darzulegen (BGH v. 11.12.2001 – VI ZR 350/00, MDR 2002, 515 = BGHReport 2002, 370 = NJW 2002, 1123 [1125] zu 3c).

bb) Die Klägerin hat hinreichend dargelegt, dass die A.H. GmbH in der Lage war, die am 15.2.1999 fälligen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe des Arbeitnehmeranteils von 4.406,95 DM zu zahlen. Dies folgt daraus, dass der Beklagte für die GmbH noch am 3.3.1999 bei einem Kontostand (1.3.1999) von – 75.866,67 DM den Auftrag zu einer Sammelüberweisung i.H.v. 11.500 DM erteilte, den die Bank nach ihrer Mitteilung vom 8.3.1999 lediglich deswegen nicht ausführte, weil das Konto infolge der am 3.3.1999 zugestellten Pfändung durch das Finanzamt für Körperschaften für Verfügungen gesperrt war. Ein rechtzeitig zur Wertstellung am Fälligkeitstage – also vor der Pfändung – erteilter Überweisungsauftrag wäre demnach ausgeführt worden.

Der Beklagte hat Gegenteiliges nicht substantiiert vorgetragen. Insbsondere entlastet es den Beklagten nicht, dass ab Januar 1999 Lohn- und Gehalts-...

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