Leitsatz (amtlich)

1. Erfolgt eine erhebliche Umplanung (mit Verringerung der anrechenbaren Kosten) im Stadium der Entwurfsplanung, kann der Architekt – wie bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung – die Leistungsphasen 1 und 2 des § 25 HOAI nach der Kostenschätzung abrechnen.

2. Liegt nur eine Grobkostenschätzung (ohne Kostenvorgabe, verbindlichen Kostenrahmen oder feste Kostenobergrenze) als Anhaltspunkt für einen Kostenrahmen (zur Orientierung) vor, so ist einem Architekten ein erheblicher Toleranzrahmen im Rahmen seiner Planung zuzubilligen.

 

Normenkette

HOAI § 25

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 23 O 475/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.6.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 23 des LG Berlin – 23 O 475/99 – geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.262.508 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Wegen des Sachverhalts in erster Instanz einschl. der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das am 28.6.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 23 des LG Berlin – 23 O 475/99 – Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 16.8.2000 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 18.9.2000 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.11.2000 am selben Tag begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die Klageforderung weiter, allerdings nicht in voller Höhe.

Zur Begründung stützt sie sich nunmehr auf die inzwischen korrigierte 20. Abschlagsrechnung vom 20.11.2000, auf die Bezug genommen wird. Die Rechnung weist ein Resthonorar von 2.469.251,23 DM brutto für die Leistungsphasen 1 und 2 aus, das die Klägerin mit ihrer Berufung geltend macht.

Die Klägerin ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält daran fest, dass sie auf der Grundlage ihrer Kostenschätzung vom 21.3.1996 und nicht – wie die Beklagte meint – aufgrund der später erstellten, niedrigeren Kostenberechnung abrechnen darf. Sie trägt insb. vor:

Bei Unterzeichnung des Generalplanungsvertrages am 7.5.1996 und damit nach Abschluss der Vorplanung sei eine umfangreiche Umplanung zwar schon diskutiert worden. Die Höhe der hierfür einzusetzenden Kosten und der Umfang der erforderlichen Leistungen seien zu diese Zeitpunkt aber noch offen gewesen. Daher habe man die Frage der Vergütung der bereits abgeschlossenen „großen” Vorplanung im Vertrag offen gelassen. Hierüber sei damals weder diskutiert noch Einvernehmen erzielt worden. Ein Verzicht der Klägerin auf die notwendig anfallenden Umplanungskosten und auf die Abrechnung der „großen” Vorplanung sei abwegig, habe nicht dem Willen der Parteien entsprochen und sei auch nicht dem Vertrag zu entnehmen. Bis zum Abschluss der Vorplanung habe die Beklagte in den bis dahin abgehaltenen 20 Projektsteuerungsrunden in der Zeit vom 3.5. bis 29.3.1996 kein Kostenziel genannt.

Die Mehrkosten seien aufgrund der zusätzlich von der Beklagten geforderten Planungsinhalte entstanden, die erkennbar nicht in der Grobkostenschätzung von 961 Mio. DM enthalten gewesen seien. Dass durch die Sonderwünsche Mehrkosten entstehen würden, habe die Beklagte auch gewusst. Rechne man sie hinzu, bewege sich die Abweichung der Kostenschätzung von der Grobkostenschätzung ohnehin noch weit innerhalb der allgemein anerkannten Toleranzen.

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagerücknahme wegen anteiliger Zinsen, die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.262.508 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.2000 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie tragen insb. vor:

Mit der Unterzeichnung des Vertrages habe auch die Klägerin in Kenntnis der maßgebenden Umstände die Abrechnung der Vorleistung nach § 7.1.1 des Generalplanungsvertrages anerkannt. Im Zuge der Umplanung seien zwar auch zusätzliche Änderungswünsche verwirklicht worden, jedoch läge die Ursache für die Umplanung im Wesentlichen in der überzogenen Bausumme. Zu den von der Klägerin behaupteten Sonderwünschen beruft sich die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass die entspr. Maßnahmen bereits bei Planungsbeginn vorgesehen gewesen seien bzw. nicht von ihr – der Beklagten – gefordert worden seien, sondern Folge des Planungsvorschlags der Klägerin gewesen seien. Die korrigierte Abschlagsrechnung sei i.Ü. nicht prüffähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der beigefügten Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristge...

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