Leitsatz (amtlich)

"1. Die Erteilung einer Restschuldbefreiung in der Privatinsolvenz kann im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden.

2. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht hat zur Folge, dass das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter ("trustee") übergeht (Section 306 (2) Insolvency Act 1986), wodurch der Schuldner für die Verfolgung seiner ursprünglichen Ansprüche mangels Verfügungsbefugnis über die Gegenstände seines vormaligen Vermögens nicht mehr aktivlegitimiert ist.

3. Eine nach englischem Recht durch ein "Certificate of discharge" erteilte Restschuldbefreiung stellt kein Hindernis für die Vollstreckung aus einem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach englischem Recht erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dar, weil Rechte gesicherter Gläubiger ("secured creditor") am Sicherungsgut bestehen bleiben. Das folgt aus Section 281 IA (2) Insolvency Act 1986."

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.10.2012; Aktenzeichen 5 O 110/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.10.2012 verkündete Urteil des LG Berlin - 5 O 110/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem auf Grund des Urteils des LG Berlin vom 29.10.2007 - 5 O 193/07 - erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Charlottenburg vom 11.4.2008. Das LG hat die Zwangsvollstreckungsgegenklage mit Urteil vom 22.10.2012 abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.

Das LG hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Vollstreckungsgegenklage sei statthaft, da eine Restschuldbefreiung zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit führe, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar sei. Eine Beschränkung des Antrags sei dahin zulässig, die Vollstreckbarkeit gerade im Hinblick auf eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme zu beseitigen, wenn die Wirkung einer Restschuldbefreiung und damit das Bestehen einer materiell-rechtlichen Einwendung nur hinsichtlich eines bestimmten Pfändungspfandrechts zwischen den Parteien im Streit stehe. Die Zwangsvollstreckung könne aber nicht für unzulässig erklärt werden, weil die Restschuldbefreiung im vorliegenden Fall keine Wirkung entfalte. Trotz der Restschuldbefreiung bleibe das gemäß §§ 804, 829 ZPO auf der Grundlage des Titels entstandene Pfändungspfandrecht fortbestehen. Gemäß Art. 4 Abs. 1 EUInsVO sei für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung maßgebend. Das gelte nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. k EUInsVO auch für den Zeitraum nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und damit für die Beurteilung der Restschuldbefreiung. Zwar befreie section 281 (1) Insolvency Act 1986 den Schuldner grundsätzlich von seinen Insolvenzschulden. Gemäß section 281 (2) Insolvency Act 1986 werde ein Pfandrecht an einer Forderung von der Restschuldbefreiung aber nicht erfasst. Diesem Pfandrecht könne durch eine gegen den Titel gerichtete Entscheidung nach § 767 ZPO nicht die Grundlage entzogen werden. Anderes folge auch nicht aus Art. 5 EuInsVO. Das Pfändungspfandrecht an einer Forderung zähle zu den von Art. 5 EuInsVO erfassten Rechten. Damit einhergehend werde auch nach deutschem Insolvenzrecht durch die Restschuldbefreiung das Recht des Gläubigers nicht berührt, gegen den Schuldner aus einem Recht vorzugehen, das zur abgesonderten Befriedigung berechtige.

Gegen dieses am 22.10.2012 verkündete und der Klägerin am 17.9.2012 zugestellte Urteil hat sie am 17.10.2012 Berufung eingelegt, die sie rechtzeitig begründet hat.

Sie meint, durch den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses werde die zu vollstreckende Forderung nicht zu einer dinglichen Forderung. Es handele sich nicht um eine Forderung, die im englischen Recht für einen "secured creditor" bestehe. Es handele sich nicht um eine Sicherheit, die dem Gläubiger von dem Schuldner zur Sicherung seiner Forderungen überlassen worden sei. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss stelle eine derartige Absicherung nicht dar.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 22.10.2012 - 5 O 110/12 - die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Berlin vom 29.10.2007 - 5 O 193/07 - für unzulässig zu erklären, soweit der Pfändungsbeschluss des AG Charlottenburg vom 11.4.2008 zur Geschäftsnummer 34 M 4381/08 betroffen ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.1) Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 513, 517, 519...

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