Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 16.10.2001; Aktenzeichen 204 C 302/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.10.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 204 C 302/01 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte … und Kollegen in Höhe von 2.512,91 DM (= 1.284,83 Euro) bejaht.

In der erstinstanzlichen Entscheidung wurde auf den vom Kläger behaupteten Inhalt des Gesprächs am 13.11.2000 mit seinem Arbeitgeber abgestellt. Demnach ist der Kläger darauf hingewiesen worden, man sei mit seiner Arbeitsleistung nicht zufrieden und daher intern überein gekommen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Wenn der Kläger sich nicht alsbald auf eine Beendigung einlasse, werde man aktiv gegen ihn vorgehen. Ob man den Lohn noch zahlen werde, wisse man nicht.

Die Beklagte hatte diesen Vortrag mit Nichtwissen bestritten und in der Berufungsinstanz darauf abgestellt, der Kläger sei wegen seiner Arbeitsleistung lediglich ermahnt worden.

Auf das Bestreiten kommt es letztlich nicht an, so dass auch der Einwand der Beklagten, dieses sei zu berücksichtigen gewesen, unerheblich ist:

Selbst wenn der Gesprächsinhalt zwischen den Parteien streitig ist, hat der Kläger Anspruch auf Versicherungsschutz. Nach § 4 (2) c) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der HDI Rechtsschutz Versicherung AG (ARB – HRV 94) besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

Verstoß ist das Handeln gegen eine – gesetzliche oder vertragliche – Rechtspflicht oder das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns. Für das Vorliegen eines Verstoßes genügt jedes Verhalten, das objektiv nicht mit Rechtsvorschriften oder Rechtspflichten in Einklang steht (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Auf., § 14 ARB 75, Rdnr. 8; Harbauer, ARB, 6. Aufl., § 14 ARB 75, Rdnr. 40, 41).

Der Kläger hat auf die Androhung einer – unberechtigten – verhaltensbedingten Kündigung abgestellt, gegen welche er sich zur Wehr setzte. Er hat damit einen Verstoß seines Arbeitgebers gegen Rechtsvorschriften behauptet. Dies reicht aus.

In dem unberechtigten Vorwurf des Arbeitgebers liegt bereits ein Verstoß im Sinne der Vorschrift, nicht nur in dem angeblichen (vom Arbeitgeber behaupteten) Verstoß des Versicherungsnehmers (vgl. Harbauer, a.a.O., § 14, Rdnr. 45; Prölss/Martin, a.a.O., § 14 ARB 75, Rdnr. 25; ferner LG Stuttgart VersR 1997, 446).

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des AG Köln (ZfS 2000, 359), worin zwar die bloße Ankündigung einer Kündigung verbunden mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages nicht als Rechtsverstoß im Sinne von § 14 ARB angesehen wurde. Das AG Köln hat dies aber ausdrücklich nur für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung festgestellt und selbst ausgeführt, dass es anders sein mag, wenn es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt. In dem Fall könne bereits der Vorwurf eines Fehlverhaltens als Rechtsverstoß seitens des Arbeitgebers zu werten sein (vgl. auch LG Darmstadt VersR 2000, 51).

Soweit sich aus der Entscheidung des AG Hannover (r + s 2001, 250) anderes ergeben mag (unklar ist insoweit, ob es zunächst um eine verhaltensbedingte Kündigung ging), folgt die Kammer dieser Ansicht nicht: Das Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages in Verbindung mit der Absicht andernfalls eine Kündigung auszusprechen mag Ausdruck der Privatautonomie sein. Wirft aber – wie vorliegend – der Arbeitgeber dem Versicherungsnehmer – unberechtigt Schlechtleistung vor, liegt ein Verstoß des Arbeitgebers vor, gegen welchen sich der Versicherungsnehmer zur Wehr setzen darf.

Ob dieser Verstoß tatsächlich zutrifft, ist für die Frage, ob bereits Versicherungsschutz besteht, unerheblich (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 14 ARB 75, Rdnr. 9, 45).

Nach dem Wortlaut der Bedingungen ist eindeutig, dass bereits ein bloß behaupteter Verstoß ausreicht.

Die Beklagte kann daher die Gewährung von Versicherungsschutz nicht davon abhängig machen, ob die Behauptung zutrifft.

Die Rechtsschutzversicherung will Versicherungsschutz bieten, sobald die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für den Versicherungsnehmer notwendig wird (§ 1 ARB – HRV 94). Diese Notwendigkeit tritt dann ein, wenn sich die Rechtsposition des Versicherungsnehmer verschlechtern könnte. Rechtliche Maßnahmen können jedoch bereits notwendig werden, etwa wenn jemand einen vom Versicherungsnehmer behaupteten Anspruch (hier: Lohn, Weiterbeschäftigung) bestreitet. Es ist gerade das Wesen kontradiktorischer Rechtsverfahren, dass sie aufgrund nur behaupteter Ansprüche oder Einwendungen in Gang kommen und hierübe...

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