Verfahrensgang

AG Lampertheim (Beschluss vom 24.09.2003)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 12.01.2005; Aktenzeichen 1 BvR 328/04, 1 BvR 1092/04)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Lampertheim vom 24.09.2003 aufgehoben.

Der Zuschlag wird versagt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) fallen den Beteiligten zu 3) und 4) zur Last.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die nach §§ 97, 98 und 100 ZVG statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Beschwerdeführer haben unter Hinweis auf den Gesundheitszustand der in dem von der Zwangsversteigerung betroffenen Liegenschaft lebenden Mutter der Beschwerdeführerin zu 1) – … – bereits mit am 25.08.2003 eingegangenem Schriftsatz Vollstreckungsschutzantrag nach § 765 a ZPO gestellt und unter Beweisantritt – Vernehmung der behandelnden Ärztin …, hilfsweise medizinisches Sachverständigengutachten – dargelegt, dass eine Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens für die gesundheitlich stark angegriffene … lebensbedrohend sein könne. … zwar nicht Beteiligte im Sinne des § 9 ZVG. Eine Gefahr für Leben und Gesundheit naher Angehöriger ist aber gleichwohl als Härtefall im Sinne des § 765 a ZPO in Betracht zu ziehen, weshalb sich der Schuldner in diesem eng begrenzten Rahmen auch auf Belange Dritter stützen kann (h.M., vgl. nur Zöller-Stöber ZPO § 765 a Rn. 8 m.w.N.).

Der angefochtene Beschluss war unter diesem Gesichtspunkt aufzuheben, weil er sich als Verstoß gegen den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör und den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf ein faires Verfahren darstellt, Art. 103 GG in Verbindung mit Art. 20 III GG (Rechtsstaatsprinzip). Das Amtsgericht war gehalten, den Beweisangeboten der Beschwerdeführer über den Gesundheitszustand von Elfriede Horn und der darauf gestützten Behauptung eines Härtefalles im Sinne des § 765 a ZPO nachzugehen. Wäre nämlich die Behauptung danach bewiesen im Sinne von glaubhaft gemacht worden, hätte das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag nicht ablehnen und erst Recht die Beschwerdeführer nicht auf das dem Zuschlagsbeschluss folgende Zwangsräumungsverfahren verweisen dürfen. Denn ein Lebend und Gesundheit als höchstrangigem Rechtsgut der Verfassung übersteigendes Gläubigerinteresse ist nicht denkbar. Zudem lässt die angefochtene Entscheidung jedwede Abwägung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen vermissen, die § 765 a ZPO.

Der Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundrechte ist ein gemäß §§ 100 III, 83 Nr. 6 ZVG von Amts wegen zu beachtender Umstand und über § 84 ZVG unheilbar. Ausgeschlossen ist damit auch eine Heilung im Beschwerdeverfahren etwa dadurch, dass dort im erstinstanzlichen Verfahren gebotene aber unterbliebene Verfahrenshandlungen, etwa Beweiserhebungen, nachgeholt werden. Deshalb kann ein unter diesem Mangel leidender Zuschlagsbeschluss keinen Bestand haben (Stöber ZVG § 100 Rn. 4). Der Beschluss ist unter Versagung des Zuschlags aufzuheben.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 574 II ZPO n.F.

Da das Rechtsmittel Erfolg hat, ergeht die Entscheidung gerichtskostenfrei. Im übrigen ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO.

Beschwerdewert: EUR 180.100,00 (§ 3 ZPO, Höhe des Meistgebotes).

 

Unterschriften

Schubert Richter am Landgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1697016

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