Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wegen der Klagefrist des § 46 Abs. 1 WEG und der damit gegenüber dem allgemeinen Zivilprozessrecht verschärften Präklusion ist im Beschlussanfechtungsverfahren eine großzügige Auslegung des Parteibegriffs geboten.

2. Wird im Rubrum „die WEG” als Beklagte genannt, reichen daher geringfügige Anhaltspunkte dafür aus, dass die übrigen Wohnungseigentümer gemeint sein sollen, da die Kläger ersichtlich keine Klage einreichen wollten, die von vornherein als unbegründet abgewiesen werden müsste.

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 17.10.2008; Aktenzeichen 28 C 40265/08)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger zu 1) bis 7) wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 17.10.2008 abgeändert.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird auf EUR 4.626,97 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Schriftsatz vom 04.07.2007 reichte der Prozessbevollmächtigte für die Kläger 1) bis 7) folgenden Schriftsatz ein:

„Klage nach § 43 WEG

In der Wohnungseigentumssache

gegen

Wohnungseigentümergemeinschaft A., vertreten durch den Wohnungseigentumsverwalter …

wegen Beschlussanfechtung”

Die Kläger wandten sich gegen die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.06.2007 zu TOP 2 und TOP 5 gefassten Beschlüsse.

In der Begründung führten sie aus:

„Die Beklagte ist Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes. … Außer den Klägern sind noch folgende Eigentümer Mitglieder vorgenannter Wohnungseigentümergemeinschaft: …

[es folgt die Aufzählung der übrigen Wohnungseigentümer]”

Die Beklagten rügten die fehlende Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband im Beschlussanfechtungsverfahren.

Mit Schriftsatz vom 03.07.2007 hatten die nunmehrigen Kläger 8) und 9) separat Beschlussanfechtungsklage gegen die „übrigen Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage” hinsichtlich der Beschlüsse zu Top 2, 3, 4 und 5 der Eigentümerversammlung vom 04.06.2007 eingereicht

Mit Beschluss vom 06.12.2007 wurden das Verfahren der Kläger 1) bis 7) mit dem gesondert eingereichten Verfahren der Kläger zu 8) und 9) gem. § 47 WEG verbunden.

Der Rechtstreit wurde in der Folge übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht erließ einen Kostenbeschluss gem. § 91a ZPO. Es erlegte u. a. den Klägern zu 1) bis 7) einen Teil der Kosten auf, weil diese den falschen Beklagten verklagt hätten. Sie seien deshalb, obwohl letztlich die Beschlüsse ohne die Erledigungserklärungen wohl aufgehoben worden wären, entsprechend ihres Anteils am Gesamtstreitwert an den Kosten zu beteiligen. Auf den Beschluss wird für die Details Bezug genommen.

Die Kläger zu 1) bis 7) legten gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein.

Sie sind der Auffassung, sie hätten von Anfang an die richtigen Beklagten verklagt. Die Bezeichnung der Beklagten in ihrer Klageschrift sei auslegungsfähig. Das Gericht hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass nicht der Verband, sondern „die übrigen Wohnungseigentümer” verklagt werden sollten. Zudem sei in einem klarstellenden Schriftsatz unter dem 08.10.2007 mitgeteilt worden, dass die übrigen Wohnungseigentümer gemeint gewesen seien.

Sie beantragen:

Der Beschluss des AG Nürnberg vom 17.10.2008 wird abgeändert. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1) bis 9) zu tragen.

Die Beklagten beantragen

die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Bei der Klage der Kläger 1) bis 7) habe es sich um eine unbegründete Klage gehandelt, die zu erheblichen Kosten bzw. Kostenmehrungen beigetragen habe. Die Bezeichnung der Beklagten sei nicht auslegungsfähig, sondern eindeutig.

Auf die wechselseitig getauschten Schriftsätze wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Den Beklagten waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits erster Instanz aufzuerlegen. Nach Auffassung der Kammer wurden auch von den Klägern 1) – 7) von Anfang an die richtigen Beklagten verklagt.

Die Klageschrift ist dahingehend auszulegen, dass sich die Beschlussanfechtungsklage nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband (im Folgenden abgekürzt als „WEG”), sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer richtet. Das Gericht schließt sich dabei der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegungsfähigkeit von Parteibezeichnungen an:[1]

Maßgebend ist, wie die Bezeichnung der Parteien bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei scheinbar unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind dabei nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaige...

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