Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer ausländischen (hier: namibischen) Adoptionsentscheidung: Anforderungen an die Kindeswohlprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung nach den §§ 108, 109 FamFG, §§ 2, 5 AdWirkG scheidet grundsätzlich aus, wenn im ausländischen Adoptionsverfahren eine zureichende Kindeswohlprüfung ersichtlich nicht erfolgt ist.

2. Es stellt aber keinen zwingenden Versagungsgrund dar, wenn die Kindeswohlprüfung durch die Behörde am Lebensmittelpunkt des Angenommenen nach deutschen Maßstäben unvollständig ist; dies kann lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public begründen und ist einzelfallbezogen zu prüfen.

3. Eine Unvereinbarkeit mit dem deutschen ordre public ist deshalb nicht gegeben, wenn die ausländische (hier: namibische) Adoptionsentscheidung unter dem Aspekt des Adoptionsbedürfnisses die entsprechenden deutschen Anforderungen zwar nicht vollständig erfüllt, das 15-jährige Kind aber zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Anerkennung bereits seit über elf Jahren mit den Adoptiveltern in häuslicher Gemeinschaft lebt und eine intensive Eltern-Kind-Beziehung durch entsprechende Anhörungen der Beteiligten und Sozialberichte nachgewiesen ist.

 

Normenkette

AdWirkG §§ 2, 5; FamFG §§ 108, 109 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 22.04.2014; Aktenzeichen 63 F 582/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des AG Bremen vom 22.4.2014 abgeändert und es wird Folgendes festgestellt:

Die Annahme des Kindes [...] (Beteiligte zu 3.)), geb. [...]1999 in [...]/Namibia durch den Antragsteller zu 1.), [...] und die Antragstellerin zu 2.), [...], durch die rechtskräftige Entscheidung des Children's Court for the District of Windhoek/Namibia vom 16.4.2007 [...] wird anerkannt.

Das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes [...] zu ihren bisherigen (leiblichen) Eltern ist durch die Annahme erloschen.

Das Annahmeverhältnis steht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleich.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf EUR 5.000,00.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller als Annehmende die Anerkennung einer vom Children's Court for the District of Windhoek/Namibia am 16.4.2007 ausgesprochenen Adoptionsentscheidung.

Der Antragsteller zu 1.) ist deutscher Staatsangehöriger und lebt seit 1997 in Namibia. Die Antragstellerin zu 2.) ist namibische Staatsangehörige. Im August 2002 haben die Antragsteller in Namibia geheiratet.

Anlässlich der kirchlichen Trauung, die im Heimatdorf der Antragstellerin zu 2.) im Norden Namibias stattfand, wurde ihnen von einem Cousin der Antragstellerin zu 2.) dessen Tochter - die am [...]1999 geborene Beteiligte zu 3.) - als "Hochzeitsgeschenk" übergeben. Dem liegt eine Tradition des Stammes der Ovakwanyama zugrunde, dem die Antragstellerin zu 2.) angehört. Diese Tradition sieht vor, dass einem neu vermählten Ehepaar ein Kind "geschenkt" wird. Das betreffende Kind gilt fortan als das Kind des Ehepaares, dem es gegeben wurde. Die neuen Eltern sind nach der Tradition verpflichtet, sich um das Kind wie um ein eigenes Kind zu kümmern und es zu versorgen. Das Kind wächst bei den neuen Eltern auf, hat aber jederzeit das Recht, seine leiblichen Eltern und die dazugehörige Familie zu besuchen.

Die Antragsteller beließen die Beteiligte zu 3.) nach der Trauung zunächst bei den leiblichen Eltern, weil sie zu jener Zeit noch mit der Haussuche in Windhoek beschäftigt waren. Im August 2003 nahmen sie die Beteiligte zu 3.) zu sich. Seitdem leben die Antragsteller mit der Beteiligten 3.) in häuslicher Gemeinschaft zusammen.

Mit Beschluss vom 16.4.2007 hat der Children's Court for the District of Windhoek/Namibia (Az. [...]) auf Antrag der Antragsteller angeordnet, dass die Beteiligte zu 3.) von ihnen adoptiert wird. Zugleich hat das Gericht der Beteiligten zu 3.) den Familiennamen Schade erteilt.

Die Antragsteller beantragen nunmehr, die Wirksamkeit dieser Adoptionsentscheidung nach § 2 AdWirkG anzuerkennen.

Nach persönlicher Anhörung der Antragsteller und der Beteiligten zu 3.) hat das AG Bremen - Familiengericht - durch Beschluss vom 22.4.2014 den Antrag der Beteiligten zu 1.) und 2.) auf Anerkennung der Adoptionsentscheidung abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller.

II. Die Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt. Das AG entscheidet in Anerkennungsverfahren nach § 108 FamFG gem. § 38 FamFG durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1. Das Verfahren ist nicht zunächst an das AG zwecks Durchführung eines Abhilfeverfahr...

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