Entscheidungsstichwort (Thema)

Staatenimmunität in der Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass die russische Föderation sich hinsichtlich bestimmter Ansprüche einem Schiedsabkommen unterworfen und die grundsätzliche Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs anerkannt hat, bedeutet nicht, dass sie in der Vollstreckung dieses Schiedsspruchs auf die Immunität ihres gesamten Vermögens verzichtet hat. Die Ansprüche der Russischen Föderation gegen ein deutsches Luftfahrtunternehmen auf Zahlung der Überflug- und Landegebühren unterliegen der Immunität und sind nicht pfändbar.

 

Verfahrensgang

AG Köln (Beschluss vom 29.05.2002; Aktenzeichen 288 M 6249/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des AG Köln vom 29.5.2002 – 288 M 6249/02 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Es verbleibt bei dem Rechtskraftvorbehalt des AG vom 29.5.2002.

Der Gläubiger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren wird unter Abänderung der Wertfestsetzung des AG auf 511.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Gläubiger gründete 1990/91 über eine ihm gehörende US-amerikanische Firma gemeinsam mit einer Behörde in Q eine Aktiengesellschaft russischen Rechts, deren Gegenstand die Entwicklung, Beschaffung pp. von Polizeiausrüstungen, Transport- und Schutzdienste für ausländische und sowjetische Bürger sowie der Im- und Export verschiedener Güter war und in die von der russischen Behörde u.a. Liegenschaften eingebracht wurden. Nachdem die Schuldnerin 1992 auf der Grundlage neuer Gesetze einen Vermögensfond eingerichtet hatte, durch den während der stattfindenden Privatisierung das staatliche Vermögen einschl. der Einlagen in Gemeinschaftsunternehmen gesichert werden sollte, ordnete der Präsident der S.F. durch eine Direktive vom 4.12.1994 die Übertragung der Liegenschaften auf ein – so die Übersetzung – „Beschaffungsamt” an, das sodann mit der Behörde aus Q. eine entspr. Vereinbarung traf. Im Oktober 1995 wurden die Liegenschaften teilweise versiegelt und im Januar 1996 beschlagnahmt.

In der Folgezeit rief der Gläubiger, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, Rechtsschutz vor russischen Gerichten zu erlangen, das internationale Schiedsgericht bei der Handelskammer in Stockholm an. Grundlage hierfür war der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13.9.1989 – BGBl. 1990 II 342 –, nach dessen Art. 4 Kapitalanlagen von Investoren einer Vertragspartei nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur gegen Entschädigung enteignet werden dürfen und ein Betroffener das Recht hat, zur Entscheidung von Streitigkeiten über das Enteignungsverfahren und zur Höhe der Entschädigung ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Ferner enthält der Vertrag in den Art. 9 und 10 Regelungen über das Schiedsgerichtsverfahren, u.a. dass ein Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt werde nach Maßgabe des UN-Übereinkommens vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.

Im Verlaufe des Schiedsverfahrens hatte die Schuldnerin insb. eine fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt, weil Investor i.S.d. Vertrages vom 13.9.1989 nicht der Gläubiger, sondern seine US-amerikanische Firma gewesen sei und es seinerzeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika noch keine dem deutsch-sowjetischen Vertrag entspr. Regelungen gegeben habe. Das Schiedsgericht ist dem mehrheitlich nicht gefolgt und hat nach Beweiserhebung am 7.7.1998 einen Schiedsspruch erlassen, nach dem die Schuldnerin an den Gläubiger 2.350.000 US-$ nebst 10 % Zinsen seit dem 25.11.1996 zu zahlen hat. Diesen Schiedsspruch hat das Kammergericht mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 16.2.2001 (KG, Beschl. v. 16.2.2001 – 28 Sch 23/99, KGReport Berlin 2001, 146 = NJOZ 2001, 727) für vollstreckbar erklärt.

Eine von der Schuldnerin gegen den Schiedsspruch erhobene Nichtigkeitsklage hat das AG Stockholm mit Urteil vom 18.12.2002 zurückgewiesen. Über eine hiergegen eingelegte Berufung der Schuldnerin ist noch nicht entschieden.

Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin und hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Köln vom 5.2.2002 erwirkt, mit dem wegen eines Teilbetrages von 511.000 Euro angebliche „Zahlungsansprüche und weiter gehende Ansprüche” der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin „aus Einräumung von Überflugrechten, Transitrechten, Einflugrechten und sonstigen bezüglich Luftverkehr zwischen der Schuldnerin und Drittschuldnerin geschlossenen Verträgen” gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden.

Hiergegen haben sowohl die Schuldnerin wie auch die Drittschuldnerin Erinnerung eingelegt. Die Schuldnerin hat eine nicht hinreichende Parteibezeichnung gerügt und geltend gemacht, die Pfändung verletze ihre staatliche Immunität, weil die gepfändeten Ansprüche ihre hoheitliche...

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