Leitsatz (amtlich)

1. Ein vor dem 1.9.2009 gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe begründet auch dann die Zuständigkeit des allgemeinen Zivilgerichts, wenn es sich bei dem Verfahrensgegenstand nach neuem Recht um eine sonstige Familiensache handelt und das Prozesskostenhilfegesuch noch nicht mit einer unbedingten Klageerhebung verbunden worden ist.

2. Zur Frage der Mithaftung eines Ehegatten für Darlehen, die der andere Ehegatte vor dem Scheitern der Ehe zur Finanzierung des Erwerbs und des Ausbaus eines Familienheimes im Außenverhältnis allein eingegangen ist.

 

Normenkette

FGGRG Art. 111 Abs. 1; BGB §§ 257, 670, 748

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 05.10.2009; Aktenzeichen 4 O 138/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 5.10.2009 abgeändert.

Dem Kläger wird über die vom LG im angefochtenen Beschluss bereits gewährte Prozesskostenhilfe hinaus zu den dort bestimmten Bedingungen auch für den Freistellungsantrag gem. Ziff. 1. der Klageschrift vom 15.4.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, die im Jahre 2004 ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehendes Familienheim erworben haben. Der Kläger nimmt die Beklagte für den Zeitraum nach der Trennung u.a. auf die hälftige Freistellung von angeblichen Darlehensverbindlichkeiten in Anspruch, die er zum Zwecke der Finanzierung von Erwerb und Ausbau des Familienheims bei seinen Verwandten eingegangen sei. Die Beklagte tritt diesem Anspruch insbesondere mit der Behauptung entgegen, dass von Seiten der Verwandten des Klägers keine Darlehen ausgereicht, sondern eine unentgeltliche Zuwendung getätigt worden sei.

Das LG hat den am 20.4.2009 bei Gericht eingegangenen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers durch Beschluss vom 5.10.2009 zurückgewiesen, soweit der Freistellungsantrag betroffen ist. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

II. Auf das Verfahren sind - unbeschadet des Umstandes, dass das LG nach dem 1.9.2009 über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entschieden hat - gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGGRG die am 31.8.2009 geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden, so dass sich die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weiterhin nach §§ 23, 23b GVG [a.F.] und nicht nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG richtet.

Gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGGRG sind auf (selbständige) Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 1.9.2009 eingeleitet worden sind, weiter die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden. Nach Art. 111 Abs. 2 FGGRG ist jedes gerichtliche Verfahren, dass mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 1 FGGRG.

Dies führt im rechtlichen Ausgangspunkt zunächst zu der Beurteilung, dass auf ein Hauptsacheverfahren und ein vorgeschaltetes Prozess bzw. Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren grundsätzlich das gleiche Verfahrensrecht anzuwenden ist. Denn nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG sind Endentscheidungen solche Entscheidungen, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird. Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren sind vor dem Gericht der Hauptsache auch unter der Geltung des FamFG keine selbständigen Verfahren, sondern sie gehören zu den Neben und Zwischenverfahren, die sich nicht unmittelbar auf die Hauptsache beziehen oder erst zur Herbeiführung der Entscheidungsreife der Hauptsache bestimmt sind (vgl. dazu Prütting/Helms/

Abramenko FamFG § 38 Rz. 37. Bumiller/Harders FamFG § 38 Rz. 2). Zwar entscheidet das Gericht auch in Angelegenheiten der Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss. dies ergibt sich aber nicht aus § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG, sondern in Ehe und Familienstreitsachen aus § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 1 Satz 1, 128 Abs. 4 ZPO und in allen anderen Familiensachen aus § 76 Abs. 2 FamFG.

Wenn indessen nach den Übergangsvorschriften die Anwendung des gleichen Verfahrensrechts für das Hauptsacheverfahren und die Nebenverfahren vorgesehen ist, muss für die Bestimmung des anwendbaren Rechts grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Eingangs des Prozess bzw. Verfahrenskostenhilfegesuchs abgestellt werden (Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, Einl. Rz. 93. Schürmann FuR 2009, 548, 549. Holzwarth FamRZ 2008, 2168, 2170. abweichend für isolierte Prozesskostenhilfeanträge Kemper FPR 2009, 227, 228). Eine andere Sichtweise wäre bereits mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der weitgehenden Gleichbehandlung bemittelter und unbemittelter Personen beim Zugang zu den Gerichten (vgl. dazu BVerfGE 50, 217, 231 und BVerfGE 81, 347, 356) nicht zu vereinbaren. Die Übergangsregelungen sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers gewährleisten, dass sich Gerichte und Beteiligte wegen der grundlegenden verfahrensrechtlichen Neuerungen durch das FGGRG angemessen auf die geänderte ...

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