Leitsatz (amtlich)

1. Eine in Großbritannien außerhalb eines Insolvenzverfahrens zwischen einem Versicherungsunternehmen und bestimmten Gruppen seiner Versicherungsnehmer getroffene vergleichsplanrechtliche Regelung, sog. "Scheme of Arrangement", ist im Inland weder nach § 343 InsO noch nach Art. 32 ff. EuGVVO oder § 328 ZPO anzuerkennen.

2. Macht der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen behaupteter Aufklärungspflichtverletzungen des Versicherers zur Höhe erzielbarer Erträge geltend und verlangt er das negative Interesse (Rückzahlung der Einlagen und Verzinsung bei anderweitiger Anlage), so gilt hierfür die fünfjährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG a.F. als Sonderregelung zu den §§ 195, 199 BGB.

 

Normenkette

InsO § 343; EuGVVO Art. 32; ZPO § 328; VVG § 12 a.F.; BGB §§ 195, § 199 ff.

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 21.01.2009; Aktenzeichen 8 O 544/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.02.2012; Aktenzeichen IV ZR 194/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.1.2009 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Verden wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglichen Verschuldens anlässlich des Zustandekommens eines Lebensversicherungsvertrages geltend.

Die Beklagte ist ein englisches Versicherungsunternehmen, welches bis 2001 auch in Deutschland eine Niederlassung betrieb und hier Verträge verkaufte. Sie bot Lebens- und Rentenversicherungen mit Überschusssystem an (Bl. 59 f. d.A.). Die Beklagte warb für ihre Produkte mit Anzeigen in verschiedenen Zeitungen sowie Prospektmaterial (vgl. Anlagen K 3-7, 15-17, 32a und 33). So wurde in einer Anzeige der Bonus von überschussbeteiligten Policen in den letzten fünf Jahren mit durchschnittlich 9,8 % beworben (Anlage K 3).

Mit Wirkung zum 1.3.1999 schloss der Kläger bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag über eine überschussbeteiligte flexible Investment-Lebensver-sicherung ab (vgl. Anlagen K 18 und 19). Der monatliche Beitrag betrug 4.174 DM und sollte bis zum 1.2.2007 gezahlt werden. Die garantierte Erlebensfallsumme zum 1.3.2011 betrug 368.968 DM. Dem Vertrag liegen die Versicherungsbedingungen für die überschussbeteiligte flexible Investment-Lebensver-sicherung zugrunde (Anlage K 1). Der Vertrag unterliegt nach II. Ziff. 3 deutschem Recht. Kap. 7 Ziff. 1 enthält Bestimmungen zur Überschussbeteiligung. Hiernach werden zunächst jährlich festgesetzte Überschussbeteiligungen aus Anlagegewinnen dem jeweiligen Vertrag zugeordnet und Teil der vertraglich garantierten Leistung, wobei eine vorherige separate Auszahlung von Überschüssen nicht möglich ist. Ferner kann bei Ablauf des Vertrages eine weitere Beteiligung an den Überschüssen in Form einer Schlussüberschussbeteiligung in Betracht kommen.

Die Beklagte verkaufte in Großbritannien, wo sie ihr Hauptgeschäft betrieb, seit 1957 auch Rentenversicherungen mit garantierter Ablaufleistung (Guaranteed Annuity Rate, GAR). Hiernach hatten die Versicherungsnehmer bei Fälligkeit das Wahlrecht zwischen einer bestimmten garantierten Rente und der zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Überschussrate, also der am Kapitalmarkt durch die Beklagte erwirtschafteten Rente (vgl. Bl. 58 d.A.). Ferner enthielten die Verträge auch garantierte Anlageerträge (Guaranteed Interest Rate, GIR). Hierin wurde dem jeweiligen Versicherungsnehmer ein jährlicher Mindestwertzuwachs garantiert. Versicherungen mit GAR- und GIR-Rechten wurden in Deutschland nicht verkauft. Die Beklagte stellte den Verkauf dieser Produkte auch in Großbritannien 1988 bis 1996 ein. Im Jahre 2001 hatte sie dort etwa 70.000 Versicherungsnehmer mit GAR-Versicherung sowie 415.000 Versicherungsnehmer mit einer anderen Versicherung. Seit 1993 fielen die damaligen Rentensätze erstmals unter die den GAR-Versicherungsnehmern garantierten Rentensätze (Bl. 71 d.A.). Als daraufhin die Versicherungsnehmer der GAR-Verträge bei Fälligkeit die höhere garantierte Rente wählten, führte die Beklagte die sog. differentielle Schluss-Überschusspolitik ein (Bl. 71 f. d.A.). Hiernach behielt sie sich das Recht vor, bei Ausübung des Wahlrechtes durch einen GAR-Versicherungsnehmer zugunsten der garantierten Rente diesem einen geringen Schlussüberschussanteil zuzuteilen als bei Wahl der am Kapitalmarkt erwirtschafteten Rente. Hierdurch sollte möglichst eine Gleichbehandlung zwischen GAR-Versicherungsnehmern und sonstigen Versicherungsnehmern erfolgen. Im Zusammenhang mit Streitigkeiten mit ihren Versicherungsnehmern in Großbritannien strengte die Beklagte im Jahr 1999 einen Prozess zur Klärung der Rechtmäßigkeit ihrer differentiellen Schluss-Überschusspolitik an. ...

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